Dangerous Moonlight, 1941, Brian Desmond Hurst

Adolf Wohlbrück

18. April bis 5. Mai 2014
 

Adolf Wohlbrück ist einer der aufregendsten Männer des Kinos, einer der präzisesten wie wandlungsfähigsten Darsteller der Filmgeschichte – sowie einer jener gar nicht so vielen Menschen des 20. Jahrhunderts, an deren Courage und politischer Prinzipienfestigkeit sich jeder ein Beispiel nehmen könnte. Dabei war Wohlbrück nie ein Star im herkömmlichen Sinn, auch wenn er zeitweise Massen in die Lichtspielhäuser zog: wahrscheinlich, weil es schwer fällt, sich mit ihm zu identifizieren. Man kann ihn bewundern, anhimmeln und begehren, doch letztlich bleibt da immer eine gewisse, von ihm und ihm allein definierte Distanz, die zu überwinden sich kaum jemand traut. Sicher auch, weil man spürt, wie gefährlich es sein kann, diesem Menschen zu nahe zu kommen – er könnte einen zerreißen mit seinen Händen oder zerfetzen mit zwei, drei wohl gewählten Worten, wie nebenher ...
 
Wohlbrück, am 19. November 1896 in Wien geboren, war der dritte Adolf seiner Familie in Folge. Der Großvater war unter anderem in Variété-Theatern aufgetreten, den Vater hatte es zum Zirkus gezogen, und so war es nicht weiter überraschend, dass auch der jüngste Adolf eine Bühnenkarriere anstrebte. Doch bevor diese für den Max-Reinhardt-Schüler so recht beginnen konnte, brach der Erste Weltkrieg aus. Wohlbrück diente, geriet in Gefangenschaft – und gründete dort ein Theater.
 
Das Kino zeigte an Adolf Wohlbrück zuerst nur ein sporadisches Interesse, was erstaunlich ist, denn er konnte sich außerordentlich gut bewegen – das machte für gewöhnlich den Stummfilmstar aus. Man nehme nur einen seiner ikonischen Auftritte, zu Beginn von Willi Forsts Monument Maskerade (1934): Ein Ballsaal, eine Treppe geschaffen für nichts Minderes als das ganz große Entrée; die einem solchen Bau gemäße Prachttür öffnet sich, Wohlbrück schreitet lässig auf die Gesellschaftsbühne. Die schneidig-elegante, ihm auf den herrlich sehnigen Leib geschnittene Abendgarderobe trägt er mit unvergleichlicher Selbstvergessenheit – dies ist seine Welt, er macht deren Moden und Mores. Wie viele Frauen und Männer wirken in Smokings oder Roben lächerlich! – Die Kleidungsstücke tragen dann ihre Träger. Nicht so bei Wohlbrück: Der lebt in seinem Körper, und dieser Körper in diesem Gewand. Er schaut sich um mit offener Neugierde, zündet eine Zigarette so an, dass es weltmännisch, eigentlich gesund wirkt – und dann spricht er: wohlerzogene Nichtigkeiten erst, nicht mehr, doch alles ist anders ob des Timbres seiner Stimme, der Art, wie er die Worte zu modulieren versteht.
 
Eine klare Schärfe ist in der Aussprache selbst in Momenten von Zärtlichkeit und Nähe, Intimität; eine unterschwellige Grausamkeit, der man sich auch lustgewinnbringend hingeben könnte; und in all dem eine Ironie, die Ausdruck ist einer Kultur, bei der sich Leidenschaft und Intellekt aufs Feinste die Waage halten. Bedingungslos, unbedingt ist bei Wohlbrück wenig. So sehen Kosmopoliten aus, so klingen sie. Und auch wenn er bloß „Sacher-Konfekt?“ sagt, merkt man sofort, wie entscheidend für sein Spiel die Stimme und die Textarbeit sind – was er mit den Worten macht, bewegt den Körper; hat man das nicht, fehlt etwas in seiner Erscheinung. Stumm konnte Wohlbrück durchaus beeindruckend sein – im Tonfilm war er schlicht ein Phänomen.
 
Aus seinen Überzeugungen und Präferenzen machte Adolf Wohlbrück kein Hehl: Er war ein radikaler Demokrat, wortgewaltiger Nazifeind und schwul. Die Anfänge des faschistischen Terrors erlebte der Sohn einer Mutter jüdischen Glaubens noch in Deutschland mit, während er unter anderem in Reinhold Schünzels Viktor und Viktoria (1933) und Willi Forsts Allotria (1936) brillierte. 1936 emigrierte er nach Großbritannien, um dort als Anton Walbrook seine Karriere wie auch seine antifaschistische Arbeit fortzuführen. Bezeichnenderweise blieb er seinem Rollenfach aus deutsch-österreichischen Tagen treu. Er gab weiter den Mann von Welt – der sich manchmal als Verlorener entpuppte: ein Mensch, der in einer abendländischen Kultur lebt, der nichts fremd ist und die sich keiner Einsicht, keiner Erfahrung verschließt. Sein Akzent wurde ihm so zum Reisepass auf einer anderen Erde, wo Aufklärung Alltag und Wirklichkeit ist, nicht bloß ein Ideal.
 
So wurde er unter anderem zur Verkörperung des Kinos von Michael Powell & Emeric Pressburger – ob er nun einen Hutterer in Nordamerika gab (49th Parallel, 1941) oder einen deutschen Adeligen von Ehre und Gewissen (The Life and Death of Colonel Blimp, 1943), einen Ballett-Impresario undurchschaubarer europäischer Herkunft (The Red Shoes, 1948) oder einen ur-austriakischen Schalk (Oh... Rosalinda!!, 1955). Bezeichnend für Wohlbrück ist wohl auch, dass er 1947 die britische Staatsbürgerschaft annahm, dann aber in die BRD zog, wo er – immer wieder unterbrochen durch wunderbare Beiträge zum Spätwerk von Max Ophüls – vor allem Theater spielte. Im März 1967 brach er in München bei einer Vorstellung auf der Bühne zusammen, am 9. August starb er im bayrischen Garatshausen. Seine Urne wurde nach England überführt und, wie testamentarisch verfügt, auf dem Londoner Friedhof St. John’s Church beigesetzt.