Singin' in the Rain, 1952, Gene Kelly, Stanley Donen (Foto: Deutsche Kinemathek)

Glorious Technicolor

Filme aus dem George Eastman House und anderen Archiven
 
10. April bis 3. Mai 2015

 
Kaum ein Markenname in der Kinogeschichte hat so sprichwörtliche Qualität errungen wie das Farbverfahren der Technicolor Corporation. Als „Glorious Technicolor“ wurde es zentraler Bestandteil des Hollywood-Mythos – Inbegriff für die Vormacht der Traumfabrik, was Glamour, Produktionsaufwand und technischen Vorsprung betrifft. Nicht nur bigger than life, sondern auch schöner und bunter: „Only the rainbow can duplicate its brilliance!“ hieß die charakteristische Werbezeile für The Adventures of Robin Hood, einen jener Erfolgsfilme, mit denen Technicolor in den späten 1930er Jahren die (deutlich teurere) Farbkinematografie etablierte. Die Wirkung war so durchschlagend, dass der legendäre Status von Technicolor bis heute anhält, obwohl seit den 1950ern andere Farbsysteme effektiver und breitenwirksamer – wenn auch nicht qualitativ besser – zum Einsatz kamen.

 
Zum 100. Geburtstag der Firmengründung widmet sich das Filmmuseum jener Periode, die den eigentlichen Ruhm von Technicolor begründete: Erst 1932 wurde jenes spezifische Verfahren perfektioniert, mit dem das gesamte Farbspektrum abgebildet werden konnte – das einzigartige Three-Strip-Technicolor. Es blieb bis 1953 tonangebend in der Oberliga der Hollywood-Produktion, bei Klassikern (vom „Überfilm“ Gone With the Wind bis zum Monroe-Musical Gentlemen Prefer Blondes) und bei seltenen Perlen (vom frühen Disney-Zeichentrick bis zum faszinierenden Industriefilm). Nachgezeichnet wird hier eine Kinogeschichte, die sich aus vielen widersprüchlichen Faktoren speist: Business und Ästhetik, Technik und Traumfabrik-„Magie“. Und zugleich eine Materialhistorie, die einiges von jener Prominenz andeutet, die der analoge Film als Kulturtechnik in der digitalen Ära gewinnen wird.

 
Die Retrospektive bietet die rare Chance, Drei-Streifen-Technicolor in verschiedenen Überlieferungsstadien zu erleben, von Originalkopien der Ära im Dye-transfer-Druckverfahren bis zu späteren Kopierungen und zeitgenössischen Restaurierungen. Viele der gezeigten und ansonsten unzugänglichen Kopien verdanken sich dem George Eastman House in Rochester, auf dessen Initiative diese Jubiläumsschau zurückgeht.

 
„Mr. Technicolor“ Herbert T. Kalmus, die Schlüsselfigur unter den drei Firmengründern, war trotz einiger Achtungserfolge nicht zufrieden mit den Zweifarb-Prozessen, die die Firma in der Stummfilmzeit entwickelt hatte. Erst die Kombination von roten, grünen und blauen Farbschichten durch drei gleichzeitig belichtete Negative (der sogenannte Process No. IV) entsprach seiner Vorstellung – und prägt bis heute das populäre Bild von Technicolor. Wo viele Konkurrenten gescheitert waren, blieb Kalmus beharrlich und setzte sein aufwendiges Verfahren als Quasi-Monopol durch: Die drei Filmstreifen bedingten schwerere Kameras, erhöhten den Beleuchtungsaufwand und machten den Kopierprozess insgesamt teuer. Die diesbezügliche Skepsis der Studios schwand erst, als ein Disney-Exklusivvertrag und Kurzfilme wie La Cucaracha die Zugkraft der Farbe beim Publikum bewiesen.

 
Ab 1935 gelang es Kalmus & Co., Technicolor als „Luxusmodell“ unter den größeren Produktionen zu etablieren – mit dem Welthit Gone With the Wind als Höhepunkt, auch was das Selbstverständnis der Firma betraf (sie erhielt dafür einen Spezial-Oscar). Eigene Technicolor-Teams unter der Leitung von Ex-Gattin Natalie Kalmus überwachten von nun an auch am Set die Farbkoordination und sorgten für den typischen, „edlen“ Pastell-Look, der das Vorurteil widerlegen sollte, die Farbe sei nur eine weitere grell-vulgäre Entertainment-Draufgabe. Auch die prototypischen „Technicolor-Genres“ zeigen den Anspruch: Für die Schauwerte in Abenteuerfilmen und Musicals, Melodramen und Americana-„Heimatfilmen“ (mit Western-Einschlag) ließ sich die Prestige-Ausführung besonders gut argumentieren.

 
Trotz des strengen Technicolor-Reglements gelangen erstaunlich vielfältige Zugänge: Allein in der ersten Dekade reicht das Spektrum von den rotbraun monochromisierten Wüsten-Seelenlandschaften in The Garden of Allah bis zu den bestechenden Naturtönen in Henry Hathaways ungewöhnlichen Heimatfilm-Western (The Trail of the Lonesome Pine, The Shepherd of the Hills); von den Velázquez-, Goya- und El-Greco-Stimmungen in der Torero-Saga Blood and Sand bis zum artifiziell glühenden Exzess des Hassliebe-Hohelieds Duel in the Sun. Die Farbekstasen späterer Glanzlichter wie George Sidneys enthusiastischen Abenteuerfilmen (The Three Musketeers, Scaramouche) oder den Musical-Meisterwerken An American in Paris und Singin’ in the Rain mussten sich schon von einer ebenfalls bunt gewordenen B-Film-Produktion abheben, als Ende der 1940er Jahre Konkurrenzverfahren wie Eastmancolor auf den Markt drängten.

 
Selbst jetzt hielt Technicolor noch einen Vorsprung (es gibt keinen schöneren Film als Jacques Tourneurs „kleinen“ Piratinnenfilm Anne of the Indies), doch 1954 endete die wahrhaft „gloriose“ Ära mit der Einführung von Process No. V – mit nur mehr einem Negativ in der Kamera. Bezeichnenderweise ging in diesem Jahr der Farbfotografie-Oscar erstmals an einen Film, der nicht in Technicolor gedreht war.

 
„Glorious Technicolor“ ist ein gemeinsames Projekt des George Eastman House, der Deutschen Kinemathek, des Filmmuseums und des Museum of Modern Art.

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