An American in Paris, 1951, Vincente Minnelli

Vincente Minnelli
American Dreamer

9. bis 31. März 2007

 

Das Schaffen von Vincente Minnelli (1903–1986) ist die vollendete Verkörperung dessen, was man als das „Genie Hollywoods“ bezeichnen kann: Minnelli war imstande, seine Kunst innerhalb einer fremdbestimmten Form zu realisieren.

 

Er war MGM at its best, der Studio-Angestellte als auteur. Anders als viele Meister seiner Art musste sich Minnelli kaum mit Genres plagen, die nicht die seinen waren – er kam vom Broadway und wurde als Musical-Macher fürs Kino engagiert.

 

Weshalb die Trennlinie zwischen Persönlichkeit und Studio bei ihm besonders fein war: Minnellis Größe entfaltete sich am vollkommensten in jenen beiden Haus-Genres von MGM, die durch seine Vision besondere Gestalt erhielten – im Musical und im düsteren Melodram.

 

Entlang dieser beider Gattungen, mit einer Auswahl seiner zentralen Werke, gibt die Retrospektive des Filmmuseums einen Einblick in Vincente Minnellis Traumkosmos: ein Kino, das zwei scheinbar widersprüchliche Leidenschaften – für fantastische „Extravaganzas“ und für ganz und gar wirkliche Gefühle – zusammenführt, auf dem Terrain einer neuen, semi-realen Welt.

 

Im Musical-Genre läuteten Minnellis Filme Mitte der 40er Jahre eine neue Ära ein: Das Revuekino von Busby Berkeley ging zu Ende, gleichzeitig trieb Minnelli in Werken wie Cabin in the Sky (1943), Meet Me in St. Louis (1944) oder The Pirate (1948) eine nahtlose Verschmelzung von Gesangs- und Tanznummern, Filmsets und Handlung voran.

 

Sein lustvoll eklektisches Kino, durchwegs over the top, mit knalligen Farben und „melodiösen Kamerabewegungen“ (David Thomson), zog einen neuen Standard im Musical-Himmel ein: Andere Meister des Genres realisierten individuelle Arbeiten für MGM, gemessen wurden ihre Leistungen und deren Eigensinn aber an der Latte Minnelli.

 

Die enge Zusammenarbeit mit der MGM-Produktionsgruppe unter Arthur Freed war eine sichere Basis (und Freed selbst ein Ansporn) für den kontinuierlichen Ausbau der Experimente, an die sich Vincente Minnelli im Musical heranwagte.

 

Sein vielbeschworener „Surrealismus“ im Set Design und seine Auseinandersetzung mit den anderen Künsten – sein „low rendez-vous with High Art“ (Gary Carey) – kulminierten Anfang der 50er Jahre. An American in Paris, The Band Wagon und Brigadoon bezeichnen (gemeinsam mit Singin’ in the Rain von Kelly/Donen) den unüberbietbaren Scheitelpunkt einer bestimmten Form von Pop-Kino-Ekstase.

 

Im selben Atemzug verlagerte Minnelli seine Interessen: Das dunkle Melodram übernahm nun die Hauptrolle in seinem Werk. Nach ersten, eher zufälligen Schritten im Genre (The Clock, eine vergleichsweise realistisch grundierte Arbeit) fand er in dem MGM-Produzenten John Houseman eine verwandte Seele – und machte ernst: The Bad and the Beautiful (1952) und Two Weeks in Another Town (1962), Anfang und Ende dieser Zusammenarbeit, sind zwei der ganz großen Selbstbildnisse Hollywoods und zugleich Reflektionen seines Verfalls.

 

Dazwischen liegen The Cobweb, ein Ensemblefilm über eine Nervenklinik, dessen Herz ein seelenwunder Künstler ist, und Lust for Life, der wahrscheinlich ästhetizstisch-radikalste Versuch über die moderne Künstlerbiographie: Vincent van Gogh. So wie schon The Band Wagon werden alle diese Filme von „autobiografischen“ Intentionen gestreift.

 

Minnellis größte Melodramen aber, seine schmerzhaftesten Visionen von der Macht des Schicksals in einer gottlosen Welt, entstanden am Ende des Jahrzehnts: Some Came Running (1958) und Home from the Hill (1960) sind Variationen über Amerika und die Gewalt, und nicht zuletzt über lässige, verzweifelte, todbringende Männer (Dean Martin, Frank Sinatra, Robert Mitchum ...). Sie bilden den zweiten Höhepunkt von Minnellis Karriere.

 

Danach schwang er sich noch zweimal zu besonderen Leistungen auf, die den Wandel der 60er Jahre annoncierten: Das überdrehte New-York-Musical Bells Are Ringing (1960) und das Hollywood-Psychodram Two Weeks in Another Town sind die helle und finstere Version eines Abschiednehmens.

 

Minnellis Zeit als Hausgenie der MGM ging zu Ende, ebenso wie die spezifische Kultur der Studio-Ära; ihre Protagonisten riss sie mit sich in die Tiefe.