Buster Keaton

Buster Keaton

1. bis 21. Dezember 2003
 
Im Dezember präsentiert das Filmmuseum die bislang umfassendste Retrospektive zum Werk des größten Stummfilmkomikers: Buster Keaton, dem seine stets unbewegte Miene noch in den haarsträubendsten Situationen den Beinamen „The Great Stone Face“ eintrug, war neben Charlie Chaplin der einfallsreichste und modernste Schauspieler-Regisseur unter den Komödianten der 1910er und 20er Jahre. Im Gegensatz zu Chaplin vermied Keaton das Sentimentale: Sein Pathos beruht auf Witz, Understatement und dem trocken-unerschütterlichen Widerstand gegen Institutionen und Gegenstände.
 
Keaton ist der „komplette Autor“. Keaton 1: unerreichte musikalische Präzision im Arrangement von Gags und Verfolgungsjagden. Keaton 2: eine Obsession für äußerst gewagte Stunts, die nie zuvor (und nie wieder danach) gesehen waren. Keaton 3: eine verblüffend naturalistische Kino-Konzeption, deren Poesie immer aus der Wirklichkeit abgeleitet ist. Keaton 4: eine konsequente Politik des liebenden Mannes inmitten der Maschinen, Städte, Verkehrsmittel des 19. und 20. Jahrhunderts.
 
Neben bekannten Meisterwerken wie Our Hospitality (1923), Sherlock Jr. (1924), The Navigator (1924), Go West (1925), Seven Chances (1925), Battling Butler (1926), The General (1927) oder Steamboat Bill, Jr. (1928) ist Buster Keaton auch als Schöpfer von kurzen Komödien eine Klasse für sich. Das Filmmuseum zeigt sämtliche erhaltenen Stummfilme, d.h. erstmals auch jene Arbeiten, die Keaton zwischen 1917 und 1920 gemeinsam mit Fatty Arbuckle gestaltete.
 
Am 4. Oktober 1895 in Kansas geboren, steht Joseph „Buster“ Keaton (der Spitzname stammt laut Legende von Harry Houdini) schon als Kind auf der Bühne und erträgt im Vaudeville-Act seiner Eltern alle Disziplinierungsmaßnahmen mit ungerührtem Pokerface. Als sein Vater endgültig dem Alkohol verfällt (und die Show zu gefährlich wird), geht Keaton nach New York, wo er für den erfolgreichen Filmkomiker Roscoe „Fatty“ Arbuckle 1917 im Halbstünder The Butcher Boy (mit einem verhängnisvollen Eimer Molasse) sein Filmdebüt gibt. Bei Arbuckle lernt er das Handwerk, bald auch als dessen Regieassistent. Ab 1920 dreht Keaton für den Produzenten Joseph M. Schenk 20 unglaubliche und völlig eigenständige two-reelers, darunter den kubistischen Hausbau-Alptraum One Week (1920) oder die anarchische Verfolgungsjagd Cops (1922); nebenbei spielt er die Hauptrolle in dem MGM-Film The Saphead (1920).
 
1923 vollzieht Keaton selbst den Übergang zur Spielfilmlänge: Die schwarze Komödie Our Hospitality markiert den Beginn einer Serie von Meisterwerken, in denen Keaton seiner lebenslangen Faszination für Mechanik (und ihre tückische Entgleisung) huldigt. Die „Titelhelden“ von The Navigator und The General sind ein verlassener Ozeandampfer und eine entführte Lokomotive; im Versuch, ihrer Herr zu werden, begibt sich Buster in absurde Situationen, nicht selten in Lebensgefahr. Sein Wille zur Genauigkeit ist übermächtig: Er äußert sich in der unvergleichlichen Perfektion des Timing und in der tiefenscharfen Mise en scène – The General etwa ist nicht nur eine rasende Komödie, sondern auch eine poetische, detailbesessene Rekonstruktion der Bürgerkriegszeit.
 
Nach Steamboat Bill, Jr. verkauft Schenck die gemeinsame Firma an MGM – Keaton soll ins Studiosystem eingepasst werden: Statt völlig frei zu arbeiten wie bisher, muss er sich nun einem Drehbuch unterordnen. The Cameraman (1928) ist seine letzte große Arbeit über die Mechanik des Films (und Partnerwerk zum fantastischen Projektionstraumspiel Sherlock Jr.), aber nach dem Übergang zum Tonfilm wird er in Routineproduktionen verheizt. Er duldet und trinkt. Zwei Ehen scheitern. Keaton wird gefeuert. Als Gagschreiber, u.a. für die Marx Brothers, kehrt Keaton Mitte der 30er Jahre zu MGM zurück; sein Spätwerk beschränkt sich aber auf Kleinstrollen. Am 1. Februar 1966 stirbt Buster Keaton an Lungenkrebs, in einer Zeit, die sein Genie gerade erst neu zu entdecken begann.
 
Umwerfend, umgeworfen, wiedererrichtet: Keaton, der Beglücker, einer der größten Künstler in der Geschichte des Films.
 
Viele der gezeigten Kurzfilme Buster Keatons wurden erst in den letzten Jahren restauriert. Dank der guten Zusammenarbeit mit Lobster Films (Paris) können wir die besterhaltenen, teilweise viragierten Materialien präsentieren. Die von Lobster Films durchgeführte Restaurierung des Keaton-Arbuckle-Films „The Hayseed” wird am 3. und am 19. Dezember im Filmmuseum als Kinoweltpremiere gezeigt.
Zusätzliche Materialien