Erich von Stroheim

Erich von Stroheim

January 10 to 30, 2002

 

“Er sprach Kino wie ein Chinese chinesisch.” (André Bazin)

 

Erich Oswald Stroheim aus Wien-Neubau, Sohn eines jüdischen Hutmachers, wanderte nach einer gescheiterten Militärlaufbahn in die USA aus, schlug sich bis Hollywood durch, wurde Assistent bei D.W.Griffith und drehte zwischen 1918 und 1929 einige der unverzichtbaren Meisterwerke des Kinos. Greed – The Wedding March  Queen Kelly – The Merry Widow – Blind Husbands – Foolish Wives ...

 

Stroheims Produktionen übertrafen alles, was das Kino bis dahin an Naturalismus, Drehaufwand und künstlerischer Besessenheit erlebt hatte. Sein filmischer Blick war unbestechlich, seine sarkastischen Panoramen der amerikanischen und altösterreichischen Gesellschaft galten den bedeutendsten unter seinen Zeitgenossen und Nachfolgern als unerreichbar: Für Buñuel und Renoir, für Eisenstein wie für Billy Wilder war Stroheim das Maß aller Dinge. Und für Thomas Mann war kein anderer denkbar, den Zauberberg zu verfilmen.

 

Immer wieder kreist Stroheims Werk um seine Heimatstadt Wien. Um die alte, dekorsüchtige Welt der k.u.k. Monarchie, die er mit bösem Spott (und allen Details der Gemeinheit, Verlogenheit, Grausamkeit) zeichnet, und nach der er sich zugleich - wie Billy Wilder schon in den 20er Jahren schrieb – “leidenschaftlich verzehrt".

 

Zu Beginn von The Wedding March heißt es: “in its entirety an Erich von Stroheim creation”. Doch in dieser Gesamtheit ist Stroheims Werk nicht erhalten geblieben: Die Studiodirektoren Hollywoods bekämpften und beschnitten es und machten Stroheim frühzeitig zum outcast, zum “König ohne Land”. Von 1932 bis zu seinem Tod im Jahre 1957 konnte er keinen Film mehr inszenieren. Seine Werke sind fast immer auch: grandiose Ruinen.

 

Das Österreichische Filmmuseum zeigt ab 10. Jänner die bisher umfangreichste Retrospektive zu Stroheims Werk: sämtliche erhaltenen Regiearbeiten – darunter zum ersten Mal seinen einzigen Tonfilm Walking Down Broadway (Hello Sister!) – sowie eine Auswahl von Filmen mit Stroheim als Hauptdarsteller wie z.B. Sunset Boulevard von Billy Wilder, La Grande illusion von Jean Renoir, La Danse de mort, seine eigene Adaption von Strindbergs Totentanz, oder As You Desire Me mit Greta Garbo.

 
Stroheim / Seidl
 
Die Geschichte und die Gegenwart des Kinos sind umso reicher, je mehr sie voneinander wissen. Zusammen gesehen ergeben sie mehr als 1 + 1. Der Vorschlag, Erich von Stroheim und Ulrich Seidl in einem Monatsprogramm aneinanderzurücken, beruht auf dieser Erfahrung.
 
Beide, Stroheim und Seidl, sind Wirklichkeitssüchtige, und von beiden heißt es manchmal, sie seien "gnadenlos". Was André Bazin über den einen schrieb, könnte auch für den anderen gelten: "Bei ihm gesteht die Realität wie der Verdächtige in der unermüdlichen Befragung durch den Kommissar. Das Prinzip seiner Regie ist einfach: die Welt so nah und so eindringlich zu betrachten, dass sie schließlich ihre Grausamkeit und ihre Häßlichkeit enthüllt."
 
Im gleichen Atemzug möchte man bei Bazin nachhaken: Enthüllt sich unter solch einem Kamerablick nicht auch die verzweifelte, schiefe Utopie im Leben der gemeinen Menschen? Ist nicht die Realität gerade im schmerzhaften Moment ihres "vollen Geständnisses" wieder bereit für neue Eingriffe und Ausblicke? (A.H.)
Related materials