Alfred Hitchcock, ca. 1962

Alfred Hitchcock
Das Gesamtwerk Teil 1

1. Dezember 2007 bis 4. Jänner 2008
 
In Zusammenarbeit mit dem BFI National Archive, London 
 
Mehr als ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod ist Alfred Hitchcock noch immer der berühmteste aller Regisseure. Das liegt zum einen an seiner Virtuosität als Filmemacher, insbesondere seiner Vollendung der Thriller-Form – er zeigt das Spannungskino als eine „Maschine“, mit der das Kino über sich selbst nachdenken kann. Seine Serie von Meisterwerken auf diesem Gebiet ist beispiellos: von The 39 Steps (1935) und Sabotage (1936) über Shadow of a Doubt (1943) und Notorious (1946) bis Vertigo (1958) und Marnie (1964). Andererseits verdankt sich Hitchcocks Aufstieg zum ultimativen Kinomythos auch seinem eigenen Sinn für Publicity und einem Paradigmenwechsel in der Filmkritik der 1950er und 60er Jahre: er war das „populäre Genie“, der ideale auteur inmitten der Massenproduktion des Hollywood-Systems.
 
Für Jean-Luc Godard hat Hitchcock mit seiner detailversessenen Inszenierungskunst, die das Publikum ganz und gar einspinnt, „le contrôle de l’univers“ erreicht. Diese Rolle als Herrscher über unser Kinobewusstsein, als „Master of Suspense“ prägt bis heute die Vorstellung von Alfred Hitchcock. Die bisher umfassendste Hitchcock-Schau in Österreich ermöglicht es aber auch, jenseits der offiziellen Meister-Werk-Geschichte die faszinierenden Abwege und Sackgassen seiner Karriere zu verfolgen und jene Fremdeinwirkungen zu studieren, die er selbst gerne herunterspielte.
 
Letztere finden sich schon im frühen Schaffen des in London geborenen, streng jesuitisch erzogenen Alfred Joseph Hitchcock. Er beginnt 1920 bei Famous Players-Lasky als Gestalter der Zwischentitel und erarbeitet sich bald anspruchsvollere Funktionen. Alma Reville, seine spätere Ehefrau (und bis zuletzt wichtigste Mitarbeiterin seiner Filme), ist als erfahrene Cutterin und story editor mitverantwortlich für seinen raschen Aufstieg im Studio. Mit der deutsch-englischen Koproduktion The Pleasure Garden gibt er 1925 sein offizielles Regiedebüt – sein enger Kontakt zur UFA und zum deutschen Filmexpressionismus prägt aber Hitchcocks gesamtes (und überaus vielfältiges) Stummfilmschaffen. Der nebelverhangene Krimi The Lodger (1927) gilt angesichts der „typischen“ Thematik als sein erstes Hauptwerk, doch Hitchcocks reifster Stummfilm ist wohl das Boxermelodram The Ring (1927). Mit dem ursprünglich stumm konzipierten Blackmail schafft er 1929, unter Einsatz charakteristischer Wechselspiele zwischen Bild und Ton, einen fließenden und erfolgreichen Übergang zum Tonfilm.
 
Die Übergangszeit der frühen 30er Jahre bietet überraschende – weil scheinbar „untypische“ – Hitchcockiana, z.B. das rasantsurreale Diptychon Number Seventeen (1932) oder das frivole Johann-Strauß-Musical Waltzes from Vienna (1934). Im selben Jahr dreht Hitchcock die packende Erstversion von The Man Who Knew Too Much mit Peter Lorre – und beginnt damit jenen Zyklus britischer Krimi-Klassiker, die ihn weltweit bekannt machen: The 39 Steps, Sabotage, Secret Agent (1936), Young and Innocent (1937) und The Lady Vanishes (1938).
 
Das kostbare Gemisch aus Suspense, Ironie und Romantik, das bei diesen Filmen in unterschiedlicher Dosierung zum Einsatz kommt, erregt auch in Hollywood Aufsehen, und David O. Selznick gelingt es, Hitchcock für einen Mehrjahresvertrag zu gewinnen. Mit dem gefeierten „britischen“ Schauermelodram Rebecca (1940) erobert er sofort das US-Publikum – und legt eine Reihe brisanter, zeitpolitischer Spionagethriller nach. Trotz aller Kontroversen mit Selznick dreht Hitchcock in diesen Jahren einige seiner größten künstlerischen Erfolge, auf dem Terrain der Screwball Comedy (Mr. & Mrs. Smith) ebenso wie mit den Thrillern Notorious oder Shadow of a Doubt, einem mörderischen Doppelspiel in täuschend idyllischer Provinz, das bis zuletzt sein eigener Lieblingsfilm blieb.
 
Der erste Teil der Schau präsentiert sämtliche Filme, die Alfred Hitchcock bis 1947 gedreht hat. Der zweite Teil (ab 5. Jänner 2008) enthält seine Filme und TV-Arbeiten ab 1948 sowie zahlreiche Filmdokumente und Vorträge über den Regisseur.
 
Das Sigmund Freud Museum zeigt von 4. Dezember 2007 bis 2. Februar 2008 die Filminstallation „Phoenix Tapes“ von Christoph Girardet und Matthias Müller, in der ausnahmslos Hitchcocks Filme zum Einsatz kommen: eine bald beklemmende, bald ironische Enzyklopädie der Obsession. 1090 Wien, Berggasse 19, Tel. 01/319 15 96. Täglich 9-17 Uhr.

Zusätzliche Materialien