Die Nacht und der Tag
Italien Experimental 1905-2010
23. bis 30. November 2011
Existiert im italienischen Kino eine Tradition des Experiments? Die Schau Die Nacht und der Tag versucht diese Frage ganz praktisch, in Form einer Arbeitshypothese zu beantworten. Elf Programme, 80 Filmbeispiele, geeint durch das Ziel, eine historisch-kritische Perspektive zu entwerfen: Der italienische Film soll zu europäischen und amerikanischen „Experimentalismen“ in Bezug gebracht und einem erweiterten Blick auf filmische Formen ausgesetzt werden.
Neben Werken bekannter Künstler, von Antonioni über Carmelo Bene bis zum Duo Gianikian & Ricci Lucchi, bringt die Retrospektive zahlreiche Neuentdeckungen der letzten Jahre und jüngst restaurierte Filme ans Licht: nach einer Zeit der Dunkelheit, in der (selbst in Italien) nur sporadisch Filmreihen zu diesem Themenkreis stattfanden. Letztere waren meist einem beschränkten Kanon gewidmet, definiert durch die futuristische Avantgarde und den zeitgenössischen Künstlerfilm. Die Wiener Schau versucht hingegen, dem Begriff und der Welt des „Experimentellen“ ihren viel weiteren und vielschichtigen Sinn zurückzugeben: Alles am Film (und im Film), das mit materieller Erfahrung und mit dem Aspekt der Forschens zu tun hat, kann als Teil dieser Welt begriffen werden. Zwei zentrale Topoi – die Maschine und der Körper – bilden das Rückgrat, entlang dessen das Experiment im italienischen Kino hier aufgefächert wird, von frühen Slapstick-Komödien bis zum Found-Footage-Kino der Gegenwart.
In den einzelnen Programmen treffen Formen, Stile und Produktionsweisen aufeinander, die auf den ersten Blick höchst unterschiedlich sind. Zugleich kommen dabei Genealogien zum Vorschein, die die gesamte italienische Filmgeschichte transversal beleuchten. Jede dieser elf thematisch-formalen Konstellationen durchquert chronologisch das Kino, die technischen Vorstellungswelten, das optisch Unbewusste eines ganzen Jahrhunderts: vergessene Filme großer Autoren treten in Dialog mit anonymen Werken; modernistische Arbeiten werden im Licht kommerzieller oder handwerklich gefertigter Produkte betrachtet; Werke von bildenden Künstlern kollidieren mit wissenschaftlichen oder medizinischen Filmen. Die Schau ist ein Vorschlag: Eine Woche lang soll außerhalb der Landesgrenzen ein experimenteller Raum entstehen, in dem eine neue Sicht auf den italienischen Film erprobt werden kann. (Giulio Bursi, Federico Rossin)
Die Schau wurde von Giulio Bursi und Federico Rossin auf Einladung des Filmmuseums kuratiert. Sie findet in enger Zusammenarbeit mit den italienischen Filmarchiven und mit Unterstützung des Italienischen Kulturinstituts in Wien statt. Besonderer Dank für die großzügigen Leihgaben und die vielfältige Hilfe bei diesem Projekt gilt der Cineteca Nazionale in Rom sowie der Cineteca Italiana (Mailand), der Cineteca di Bologna, dem Archivio Nazionale Cinema d’Impresa (Ivrea), Home Movies Bologna, La Camera Ottica (Gorizia) und dem Museo Nazionale del Cinema (Turin).
Zusätzliche Materialien