Machorka-Muff, 1963, Jean-Marie Straub, Danièle Huillet

Die Provokation der Wirklichkeit
50 Jahre Oberhausener Manifest

7. bis 15. Juni 2012
 

Das Oberhausener Manifest ist eines der wichtigsten Gruppendokumente des europäischen Films. 26 junge Münchner Filmemacher erklärten am 28. Februar 1962 in Oberhausen „Papas Kino“ für tot und reklamierten in einer Mischung aus ungestümem Pathos und niederschmetternder Diagnose der deutschen Filmwirtschaft die Lizenz zur Schaffung eines neuen Kinos. Dieser Akt gilt seither als Urknall des „Jungen deutschen Films“. Die bekanntesten Namen in diesem Zusammenhang sind Alexander Kluge, Edgar Reitz, Haro Senft, Peter Schamoni und Herbert Vesely. Zu den weiteren Unterzeichnern gehörten auch Kameraleute, Produzenten, Musiker sowie der Schauspieler Christian Doermer. Im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung der Manifestanten stand immer der Gestus der Selbstermächtigung. Hinter der großsprecherischen Attitüde richtete sich der Ehrgeiz aber auch auf die Schaffung von – politischen, organisatorischen und ästhetischen – Grundlagen, auf denen sich eine Filmindustrie in Deutschland überhaupt nachhaltig entwickeln ­können sollte. 
 
Die acht Programme mit Filmen aus der Zeit von 1958 bis 1968, die das Filmmuseum zeigt, haben diesen Hintergrund im Blick, gehen aber weit über das Schaffen der eigentlichen „Oberhausener“ hinaus. Das kritische Erinnern an ihre Zeit will größere Räume ­eröffnen und parallele Erneuerungsmomente in Deutschland und anderen Ländern präsentieren.
 
Die Kurzfilme von Fassbinder, Herzog, Straub/Huillet, ­Marquard Bohm, Roland Klick, Vlado Kristl, Peter Nestler oder ­Helke Sander entwerfen zum Teil ganz andere ästhetische und politische Perspektiven als die Werke der Manifestanten selbst.
 
Der „Durchbruchsfilm“ der Oberhausener, Herbert Veselys Böll-Adaption Das Brot der frühen Jahre, wird mit einem Querschläger-Spielfilm konfrontiert, Bernhard Wickis Warum sind sie gegen uns? Und herausragende internationale Kurzfilme dieser Ära (von Shirley Clarke, Forough Farrokhzad, Jonas Mekas, Roman Polanski, Hans Scheugl, Alain Tanner u. v. a.) treten in Relation zu den formalen und inhaltlichen Horizonten der Oberhausener – ihren Untersuchungen der deutschen Geschichte (z. B. Es muss ein Stück vom Hitler sein von Walter Krüttner), ihrem Verständnis der Moderne (z. B. Das magische Band von Ferdinand Khittl) und ihren Gegenwartsbeobachtungen (z.B. Notizen aus dem Altmühltal von Hans Rolf Strobel und Heinrich Tichawsky).
 
Den Auftakt zur Schau bildet am 7. und 8. Juni eine internationale Konferenz zum Thema, veranstaltet vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien und den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, in Kooperation mit dem Filmmuseum und mit Synema.
 
Mit Einführungen von Ralph Eue zu Beginn jedes Programms.
 
Die Wiener Station des ganzjährigen Projekts Die Provokation der Wirklichkeit ist eine Veranstaltung des Filmmuseums und der Internationalen Kurzfilmtage, in Kooperation mit VIS Vienna Independent Shorts. Das Projekt wird unterstützt durch die Deutsche Kine­mathek, das Bundesarchiv sowie die Bundeszentrale für politische Bildung und gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
Zusätzliche Materialien