Peter Kubelka, 2003 © Michael Rausch-Schott

Peter Kubelka. Zum 80. Geburtstag

23. März bis 9. April 2014

 

Am 23. März 2014 feiert ein genuiner „Renaissance-Mensch“ seinen achtzigsten Geburtstag. ­Peter ­Kubelka: Hochschullehrer, Musiker, ­Kultur­historiker, Sammler, Judoka und Leichtathlet, Theoretiker und Praktiker der Speisenbereitung, Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums (1964) und der ­Anthology Film Archives (1970) – und einer der ­bedeutendsten Filmmacher aller Zeiten.

 
Das Filmmuseum zeigt im Rahmen dieser Schau mehrmals die Filme Kubelkas, stellt kaum bekannte Dokumente über verschiedene Momente seines Schaffens vor, gibt ein umfassendes Bild von der Arbeit seiner ehemaligen Student/inn/en an der Frankfurter Städelschule und präsentiert – zum ersten Mal im „Unsichtbaren Kino“, dem von ihm konzipierten Kinoraum – seine mehrteilige „Projection Per­formance“ Monument Film aus dem Jahr 2012. Ein Vortrag von Peter Kubelka und ein Podiumsgespräch über sein Werk sind ebenfalls Teil der Retrospektive.

 
Wenn Peter Kubelka kocht, kocht er naheliegende, einfache Dinge: lokale Speisen, wie sie „ganz normale“ Menschen essen, oder besser: vor nicht allzu langer Zeit noch zubereitet und gegessen ­haben. Kubelkas Filme hingegen gelten vielen als „eigen“, sie seien – gemessen am „Normalkino“ – nicht so leicht zu verdauen. Das Gegenteil ist der Fall: Man muss auch sie naheliegend und einfach nennen. Sie gehen vom materiellen Zelluloidstreifen und vom einzelnen Filmkader aus. So verwirklichen sie eine betont handwerkliche, zugleich spielerische Vorstellung des Mediums. In Kubelkas Sinn müsste man sagen: So würden normale Menschen Filme machen, oder besser: vor nicht allzu langer Zeit noch gemacht haben.
 

Bei aller Systematik ihrer Struktur und trotz der oft Jahre währenden Schnittarbeit steht die unmittelbare, überschießend ­phy­sische Wirkung der Filme als Projektionsereignis im Zentrum von ­Kubelkas Schaffen. Es geht um den schieren Rausch, den seine Freude an Geschwindigkeit, Rhythmus, Kontrast und Sekundenmetaphern im Betrachter erzeugt. Etwa, wenn er in seinem ersten, unter Mitarbeit von Ferry Radax produzierten Film Mosaik im ­Vertrauen (1955) Wochenschaubilder einer Motorsportkatastrophe mit jenem fernen Ausruf in österreichischer Dialektsprache ­kom­biniert: „Jetzt hod’s eam z’rissn!“

 
In den „metaphorischen“ Filmen Kubelkas, allen voran Unsere Afrikareise (1966), kommt der Bezug zur wirklichen Welt genauso deutlich zum Ausdruck wie die Liebe zu den Bild- und ­Tonexplosi­onen des Kinos. „Meine Politik war immer nur der Film“, sagt ­Kubelka oft – und ist dennoch ein Künstler, der von seiner Zeit und Gesellschaft berichtet, selbst wenn diese Berichte tief in seine Filmkristalle eingelassen sind.

 

Mit den sogenannten „metrischen“ Werken – Adebar (1957), Schwechater (1958) und Arnulf Rainer (1960) bzw. Antiphon (2012) – formuliert Kubelka seine Idee filmischer Zeit und filmischer Artikulation in schlackenloser Weise. Doch sie sind, gegen die konventionellen Schubladen der Kunsttheorie gesprochen, keineswegs abstrakt. Kubelka: „Wenn etwas abstrakt wird, gibt es einen ungeheuren Energieverlust.“ Diese Filme sprechen vielmehr in denkbar konkretester Form die Sprache des Mediums. So wie Stimme, Klang und das „natürliche“, leibhaftig an­wesende Reden im Raum bei Kubelka weitgehend das („abstrakte“) Geschriebene ersetzen, so artikulieren auch seine Filme ihr Denken jenseits aller literarischen, malerischen, theatralen und akademischen ­Traditi­onen des Kinos.

 
Kubelka ist ein Philosoph außerhalb der „offiziellen“ Philosophie: ein später Wiener Moderner, der zur Vermittlung seiner ­lebens­frohen und sehr zugänglichen „Traktate“ nicht Bücher gewählt hat, sondern die jeweilige Inschrift der Ausdrucksformen, die für ihn am Beginn aller Poetik-Ästhetik-Kulturgeschichte stehen. Damit wird auch der Film „vorverlegt“ in die Zeit, bevor die Menschen anfingen, sich der Schreibschrift zu bedienen und der sprachlich ­verfassten Wissenschaft den Vorrang zu geben. Künstlerisches Denken steht für ihn am Beginn aller großen Erfindun­gen: „Eine gute Frage ans Universum zu stellen, ist eine ­künstle­rische Tat.“

 
Zu Peter Kubelkas 80. Geburtstag bringt das Filmmuseum auch Martina Kudláčeks Dokumentarfilm Fragments of Kubelka (2012) erstmals auf DVD heraus. Nach Arbeiten über Alexander Hackenschmied, Maya Deren und Marie Menken hat die österreichische Filmemacherin nun zum vierten Mal ihre Gabe der subtilen, gleichwohl insistierenden Beobachtung und Porträtierung an einer ­iko­nischen Figur des internationalen Avantgardefilms erprobt. Peter ­Kubelkas Lebenswerk und seine „performative“ Methode, die Welt und ihre natürlichen wie kulturellen Phänomene gleichermaßen zu umarmen und zu durchdringen, verlangen nach einer flexiblen ­Erzählform, die Kudláček blendend beherrscht: das geduldige Auswerfen weiter historischer Netze und die Verdichtung von Erkenntnis in Sekundenbruchteilen. Die Kinopräsentation des Films am 9. April bildet den Abschluss der Schau. An den Tagen davor wird Peter Kubelka in drei Programmen Filme seiner ehemaligen Frankfurter Student/inn/en präsentieren (Werke aus den Jahren 1981 bis 2006), in Anwesenheit vieler der Filmmacher/innen.
 

Neben Peter Kubelka selbst nehmen Gäste wie Paolo Cherchi Usai, Thomas Draschan, Simon Field, Heinz-Norbert Jocks, Martina Kudláček, Albert Sackl, Harry Tomicek und Günter Zehetner an den Veranstaltungen teil. Die Doppel-DVD Fragments of Kubelka enthält ein mehrsprachiges Booklet mit neuen Texten von Nicole Brenez, Tom Gunning und Christian Höller – sowie Peter Kubelkas prägnanter Interpretation des Wiener Schnitzels. 
 

Die Projekte des Filmmuseums zum Jubiläum seines 50-jährigen Bestehens werden vom Österreichischen Filminstitut, von der Stadt Wien und vom Bundeskanzleramt Österreich gefördert.

Zusätzliche Materialien