Peter von Bagh

Finnland – der Film
Mit Peter von Bagh durch das finnische Jahrhundert

27. September bis 15. Oktober 2014

  

In memoriam Peter von Bagh (1943–2014)

 

Mit Finnland ist es so eine Sache: Es ist ein Sehnsuchtsort für viele, doch kaum wer verbindet allzu Konkretes damit. Älteren Generationen mag noch das Klischee vom Land der 1000 Seen vor Augen stehen, mit dem einst erfolgreich Tourismuswerbung betrieben wurde. Vielleicht hat man Finnland auch als bedeutende Sportnation im Kopf – oder als Dynamo des Designs, der Architektur und der Mobiltelefonie ...

 
„Nokias kommen und gehen, während psychiatrische Kliniken bleiben.“ – So fasst Peter von Bagh die conditio humana zusammen, wenn er Film Die Erinnerungen - ein kleiner Film über Oulu in den 50er Jahren über die Stadt Oulu spricht, in der er als Sohn eines Nervenarztes aufwuchs. Von Bagh, Jahrgang 1943, ist eine Institution des finnischen Kulturlebens – Filmhistoriker und Regisseur, Buch- und Musikverleger, Dozent und Mitbegründer des ­legendären Midnight Sun Film Festival, um nur einige seiner ­Be­tätigungsfelder zu nennen. Auch als Meister des geschliffenen Wortes wider jegliches Mitläufertum mischte er sein Heimatland seit rund einem halben Jahrhundert mächtig auf. Neben seinem Meisterschüler Aki Kaurismäki war er darüber hinaus die prägnanteste Präsenz Finnlands im internationalen Kinogeschehen.

 
Für das Filmmuseum hatte Von Bagh gemeinsam mit Olaf Möller einen Parforce-Parcours durch das finnische Kino erarbeitet, der seine Leidenschaften reflektiert und zentrale Werke von 1937 bis 2006 versammelt. Eine punktuelle Zusatz-Auswahl von Filmen aus seinem eigenen Schaffen vermittelt eine gewisse Idee des Benjamin‘schen Geistes, der dieses Programm belebt.


Der Schwerpunkt liegt in der Studio-Ära, die Von Bagh in jahrzehntelanger Arbeit neu erschloss. Während Finnland kaum bedeutende Stummfilme schuf, kam es ab den 1930er Jahren zu einer ­veritablen Kreativ-Explosion. Mit Valentin Vaala (Louisa) brachte sie einen auteur von internationalem Rang hervor, mit Nyrki Tapiovaara (Juha) einen singulären Modernisten und mit Teuvo Tulio (So wie du mich wolltest) ein Prachtexemplar jener Gattung, die Andrew Sarris „Expressive Esoterica“ nannte. Überraschend ist diese Entwicklung nicht: zum einen, weil das gesprochene Finnisch in all seinen dialektalen Ausformungen ungemein identitätsstiftend wirkte – nun eben auch im Kino; zum anderen, weil die wundersam vielgestaltige Populärmusik Finnlands sehr rasch ins neue Medium expandierte.

 
Der Tonfilm brachte also ein weiteres Stück kultureller Emanzipation mit sich, die das erst 1917 gegründete und gleich von einem Bürgerkrieg traumatisierte Land dringend benötigte. Wobei diese Selbstfindung schon in den 1930ern ins krass Chauvinistische ­kippte und Finnland eine unbotmäßige Nähe zu Nazideutschland suchen ließ; die Musikkomödie SF-Paraati (1940) des ­Klangkino­pioniers Yrjö Norta lässt sich gut als Dokument jener politisch ­bedrückten Jahre verstehen.

 
Die Verheerungen der Kriege (1939/40 und 1941–44) sorgten in den Nachkriegsjahren für einen bei aller beständigen Leidenschaft deutlich nüchterneren Ton. Auch wenn so vieles nach Neuanfang klang – die Kontinuitäten waren beträchtlich; dafür steht u. a. eine unberechenbare Größe wie Ilmari Unho (Zehn Kerle aus Härmä), der einst Mitglied einer ultranationalistischen Vereinigung war, nach 1945 aber nicht sanktioniert wurde. Seine Karriere ging weiter, seine Melodramen verloren nichts an Kraft, die Komödien nichts an Würze.

 
Bis 1960 war die Studiowelt noch in Ordnung: Kleine Meister wie Ville Salminen (Der Evakuierte), der Vater von Kaurismäki-­Kameramann Timo Salminen, liefen zur Höchstform auf, während Nachwachsende wie der formidable Matti Kassila (Gas, Inspektor Palmu!) den Fortbestand dieser Kultur zu sichern schienen. Wie überall sonst raubte das Fernsehen schließlich dem Kino seine ­Diskursmacht über die Wirklichkeit. Mit Mikko Niskanen (Acht ­Todeskugeln) brachte die Altbranche noch eine Speerspitze des Jungen Kinos hervor – das war's dann. Typischer für den Neuanfang in den späten 60er Jahren war Risto Jarva (Der Einmannkrieg), der seine oft sozialkritischen Spielfilme durch Industrie- und Werbeproduktionen finanzierte. Jarva wiederum war Peter von Baghs Mentor – eine Linie ins Morgen zeichnet sich ab ...
 

Das Projekt findet mit Unterstützung der Finnischen Botschaft in Österreich statt.