Before Sunrise, 1995, Richard Linklater

Nachmittagskino
Nach Ilse Aichinger

12. bis 27. November 2016

"Nichts wird von Zwischenzeiten erwartet. Vielleicht deshalb retten sie, was möglich ist: Fetzen im Herbstwind, Filme, die Erinnerung." – Ilse Aichinger

"Ich stelle mir das Kino vor als das Exil der Realität; die fremde Heimat der Wirklichkeit." – Hartmut Bitomsky
 
Das Nachmittagskino taugt wohl kaum als Kontrapunkt zum schrillen Mitternachtskino der 1970er Jahre. Der Nachmittag ist gewöhnlich, unspektakulär. Keine Uhrzeit für Superlative, keine, um Programme zu verwirklichen. Wenn man sich überhaupt für ihn interessiert, vielleicht gerade die "bessere Tageszeit", wie ihn die Wiener Autorin Ilse Aichinger mit Zurückhaltung ehrt. Was wird er bringen? Wenig, was man nicht schon kennt, und eventuell weniger, als man erwarten würde.

Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger ist entstanden aus der Beschäftigung mit Filmen, die Ilse Aichinger in ihren Standard-Glossen erwähnt und will doch kein Best of oder Most important-Programm für Aichinger produzieren. Die Bedeutung des Films für Aichinger ist nicht auf historische oder Wien-bezogene Filme zu begrenzen. Aichingers Wertschätzung von Kinos als Orten der Wiener Topografie kreuzt vielmehr eine bloß cineastische Perspektive. Die (fast hundertjährige) Leidenschaft der Kinogängerin Aichinger äußert sich stattdessen in Assoziationen zwischen Filmen. Ihre Glossen folgen keinen Mustern der Filmkritik, sondern entdecken Bezüge, wo nur Zufall war: Ilse Aichinger, die Stimme aller namenlosen Kinogänger/innen. Ihre Lust am Film ist nicht zu fixieren.

Das Ilse-Aichinger-Haus sucht mit Nachmittagskino. Nach Ilse Aichinger jenes unauflösliche, leidenschaftliche oder anarchische Moment in Ilse Aichingers Kinogehen und Schreiben. Nachmittagskino will nicht Programm machen und ist auch kein ikonoklastisches Anti-Programm, allenfalls der Versuch, das Unumgängliche nicht zu akzeptieren. Gesucht wird die Weite, die doch nicht zufällig ist, die schüchterne Berührung des Beliebigen und die Freiheit, Zusammenhänge zu bilden oder fort zu bleiben. Ergo Ilse Aichinger am Nachmittag.

Das Österreichische Filmmuseum trauert um Ilse Aichinger, die am 11. November 2016 im Alter von 95 Jahren verstorben ist.

Das Ilse-Aichinger-Haus, das Literaturhaus ohne Mauern, und das Filmmuseum durchqueren an drei November-Wochenenden mit jeweils zwei Filmen pro Nachmittag Aichingers Landschaften aus Film und Kino. Kuratiert von: Katrin Rohrbacher, Daniel Lange, Andreas Dittrich, Gilbert Waltl, Mathias Müller, Marlene Csillag und Alexander Wöran. Zur Reihe "Nachmittagskino" erscheint eine begleitende Broschüre.
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