2 ou 3 choses que je sais d'elle (Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß), 1967, Jean-Luc Godard

Collection on Screen:

Nouvelle Vague

6. März bis 1. Mai 2022

Nachdem wir uns im Vorjahr zum Auftakt von Collection on Screen dem italienischen Neorealismus der Nachkriegsära widmeten, präsentieren wir nun die nächste zentrale Bewegung des Weltkinos: Ab dem Ende der 1950er wurde Frankreichs Nouvelle Vague zum Inbegriff des Aufbruchs in den Autor*innenfilm. Der neorealistische Ansatz von Kino als Zeitbild und Ausdruck eines gegenwärtigen Lebensgefühls paarte sich mit der politique des auteurs, die führende Vertreter dieser neuen Welle wie Claude Chabrol oder Jean-Luc Godard zuvor als Kritiker etabliert hatten und so eine Basis für die eigenen Regiekarrieren legten.
 
Chabrols Le Beau Serge (1958) wurde der erste Spielfilm einer neuen Generation, die in Abkehr vom angeblich behäbigen "Qualitätskino" der altvorderen Regisseure einen jugendlichen Esprit einforderte, um an Produktionsmittel zu kommen. Mit den Möglichkeiten neuer, leichter handhabbarer Technik wurde eine "neorealistische" Vérité-Lebensnähe angestrebt, doch im Vordergrund stand die künstlerische Handschrift: Mit À bout de souffle (1960) begann Godard neue Effekte einzuführen, die schnell Teil der allgemeinen Kinosprache wurden. Einen Gastauftritt hatte Jean-Pierre Melville: wie Robert Bresson, Jacques Tati oder Marcel Hanoun wurde er dank eines ganz individuellen Zugangs als künstlerischer Vorläufer akzeptiert. Wichtig waren auch Entwicklungen aus dem Kunst- und Kurzfilm, praktiziert von Zeitgenossen wie dem heute fast vergessenen Pierre Kast und Alain Resnais, der mit Hiroshima mon amour (1959) zu den Regisseur*innen aufrückte, die der Nouvelle Vague zugeschlagen wurden, ohne zum eigentlichen Kern der Bewegung zu gehören – wie auch Agnès Varda, Louis Malle, Jacques Demy oder der Nachzügler Jean Eustache, dessen La Maman et la putain (1973) als epische Grabinschrift der Nouvelle Vague gilt. (Christoph Huber)