Duel, 1971, Steven Spielberg

Collection on Screen:

Ansichten und Absichten:
Film ist eigentlich nicht politisch

4. bis 18. Dezember 2022
 

Siegfried Kracauer, der in der neuen FilmmuseumSynemaPublikation Ansichten und Absichten oft zitiert wird, schreibt 1960 in Theory of Film, man könne Film nicht auf irgendeine politische Position festlegen; keinesfalls sei Film festlegbar auf – Sozialkritik, Kollektivismus, Revolution, Bürgertumssatire, Alltagshorror. Kracauer erstellt eine regelrechte linke Liste. Um Paradoxa nie verlegen, sagt er quasi: Denken Sie bei Film bitte nicht an – politische Insubordination, Sozialkritik, revolutionäre Erregungen und all das.
 
Genau! Denken Sie bei Jacques Tatis Playtime keinesfalls daran, wie lustig es klingt/aussieht, wenn im Elektro-Kapitalismus Freizeit zur mühsamen Verrichtung wird. Denken Sie bei David Cronenbergs The Fly nicht daran, wie ein herz- und magenzerreißendes Splatter-Melodram maskuline Machtmystik verdaut. Denken Sie bei Frank Capras Prelude to War und Gerhard "Benno" Friedls Amerongen-Film bitte nicht an eine Vorgeschichte krimineller Angriffskriege der Nazis und ihrer Verbündeten in Kombination mit ungelösten Kriminalfall- und Krankengeschichten deutscher Nachkriegskonzernkarrieren (und wie g'feanzt diese Symptomatologien rüberkommen). Denken Sie bei der Paradiesvögel- und Gespenster-Doku-Kombi von Tina Leischs Gangster Girls mit Anja Salomonowitz' Kurz davor ist es passiert nicht an Stimmen, die Sprechende spalten, weil deren Körper quer zu ihren Haftanstaltsräumen stehen bzw. quer zu Erzählungen von illegalisierten Migrantinnen. Denken Sie bei Duel, dem Langfilmdebüt von Steven Spielberg (der am 18. Dezember 76 wird), nicht daran, wie ein weißes Mittelschichtmännchen vor toxisch qualmender Auto-Aggression flieht, die ihm noch näher ist als im Rückspiegel. Und denken Sie beim Sozialhorror von Jordan Peeles abgründiger "Aufstiegs"-Satire Us nicht an ein Wir, das im ZusammenSpalt von Oberwelt und underclass lebt/stirbt.
 
Denken Sie nicht an all diese Polit-Kramuri. Sehen Sie davon ab; sehen Sie sich das an. Es geht ja um Ansichten und Absichten. (Drehli Robnik)
Zusätzliche Materialien