Beyrouth, ma ville / Beirut Madinati (Beirut, My City), 1982, Jocelyne Saab
Saat el Fahrir Dakkat, Barra ya Isti Mar (The Hour of Liberation Has Arrived), 1974, Heiny Srour
Atfal Al-Harb / Les enfants de la guerre (The Children of War), 1976, Jocelyne Saab
Al-Tariq Illa Filastin (Der Weg nach Palästina), 1985, Layaly Badr
Le Liban dans la Tourmente (Lebanon in Torment), 1975, Jocelyne Saab
Égypte, Cité des morts / Madinat Al-Mawta (Egypt, the City of the Dead), 1977, Jocelyne Saab
Le Liban dans la Tourmente (Lebanon in Torment), 1975, Jocelyne Saab
La Zerda, ou les chants de l'oubli (The Zerda, or the Songs of Oblivion), 1982, Assia Djebar
Ana alati tahmol azouhour ila qabriha (I'm the One Who Brings Flowers to her Grave), 2006, Hala Alabdallah Yakoub, Ammar Al Beik

Permissible Dreams
Pionierinnen des arabischen Dokumentarfilmkinos

23. März bis 29. April 2023
 

Permissible Dreams stellt historische Dokumentarfilme arabischer Filmemacherinnen vor und würdigt die Vielfalt und die Innovationskraft ihrer inspirierenden Arbeit. Wenn man an feministisches Filmschaffen denkt, dann zuerst an europäische und US-amerikanische Werke aus den 1970ern. So großartig diese Arbeiten unbestritten sind, als Europäer*innen können wir viel mehr über die Welt lernen, wenn wir uns auch von einer westlichen Perspektive wenig beachteteten Gegenden zuwenden. Permissible Dreams will dieser konstanten Vernachlässigung entgegenwirken, indem der Fokus auf die Rolle von Frauen aus der arabischen Welt und ihre Filme gerichtet wird, jüdische, berberische und anderer nicht-arabische Filmemacherinnen eingeschlossen. Damit präsentieren wir die Vielfalt des politischen und feministischen Filmschaffens aus jenem Gebiet, das als Naher Osten, arabische Welt oder Südwestasien und Nordafrika bekannt ist. So wollen wir eine kritische Auseinandersetzung mit der anhaltenden (west-)europäischen Dominanz anstoßen, die sich nicht nur in den Bereichen Finanzierung und Infrastruktur manifestiert, sondern auch auf Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen auswirkt: Oft sind es die Filmemacherinnen selbst, die Lobbyarbeit leisten müssen, um ihr filmisches Erbe zu sichern.
 
Permissible Dreams widmet sich einigen der mutigsten und interessantesten Dokumentarfilmen von arabischen Regisseurinnen, die ab den späten 1960ern Frauengeschichte(n) aufzeichneten. Dieses Programm zeigt Filme, die der Zensur zum Opfer gefallen sind, und Filme, die – versehentlich oder absichtlich – ignoriert wurden; Filme, die verboten wurden, auf Schwarzen Listen standen oder einfach in den Regalen von staatlichen Archiven verschwanden. Diese Archive erhielten (und erhalten immer noch) nicht die Unterstützung oder Finanzierung, die sie benötigen würden, um das Filmerbe zu bewahren.
 
Auch die Machart und die Themen der Filme selbst bewegten sich oft im Spannungsfeld von (Selbst-)Zensur und anderen Widerständen, was sie nicht nur inhaltlich, sondern auch formal aktivistisch und politisch macht. Der Titel dieser Schau, Permissible Dreams, spiegelt diesen Zusammenhang wider: Die Filmemacherinnen loten mit unterschiedlichen formalen Strategien die Grenzen des Erlaubten aus. Wie Aziza, eine von Ateyyat El Abnoudy interviewte Frau, im Film Permissible Dreams sagt: "Ich träume nie von Dingen, die ich mir nicht leisten kann. […] Meine Träume sind verwirklichbar." Damit liefert sie die Inspiration für Abnoudys subversive Herangehensweise an politische Realitäten.
 
Für manche mag es überraschend sein, dass arabische Frauen schon seit der Erfindung des Kinos Filme machten; tatsächlich produzierte Aziza Amir bereits in den 1920ern populäre ägyptische Filme und spielte in ihnen mit, während Haydée Chikly aus Tunesien ihre eigenen Drehbücher schrieb und in ihren Filmen, die ihr Vater inszenierte, ebenfalls Hauptrollen übernahm. Als arabische Frauen – nicht zuletzt dank der leichteren Verfügbarkeit von Aufnahmegeräten – dann vermehrt zur Kamera griffen, wurde die Welt gerade von revolutionären Bewegungen rund um die Entkolonialisierung erschüttert. Die späten 1960er waren eine Zeit, in der Künstler*innen und Aktivist*innen aus dem globalen Süden die Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur neu belebten: Der Film wurde zu einem Instrument der Emanzipation von Nationen, Gemeinschaften und Menschen. Frauen griffen selbstbewusster als je zuvor zur Kamera und stellten sicher, dass ihre Anliegen und Prioritäten auch auf der Leinwand vertreten waren.
 
Filmemachen ist in der arabischen Welt oft eine Sache des Idealismus und des Aktivismus, insbesondere für Frauen. Trotz vieler praktischer und ideologischer Schwierigkeiten haben Regisseurinnen Wege gefunden, in ihren Filmen dissidente Haltungen auf unterschiedlichste Arten zu verhandeln. Folglich sind alle Filme in diesem Programm – ob sie nun experimentell, essayistisch oder poetisch sind – an sich politisch. Damit sind diese Filmpionierinnen, deren Geschichte wir nachzeichnen, eine Inspiration für ihre Protagonist*innen, ihr Publikum und die Filmemacherinnen, die in ihre Fußstapfen traten.
 
Permissible Dreams stellt Regisseurinnen aus mehreren Ländern in den Mittelpunkt: Ateyyat El Abnoudy aus Ägypten, Jocelyne Saab und Heiny Srour aus dem Libanon, Selma Baccar aus Tunesien, Assia Djebar aus Algerien, Mai Masri, Layaly Badr und Khadijeh Habashneh aus Palästina, Izza Génini aus Marokko und Hala Alabdalla aus Syrien. Dass wir diese Filmemacherinnen als Pionierinnen bezeichnen, hat mehrere Gründe. So war Izza Génini zwar nicht die erste Dokumentarfilmemacherin in Marokko (das war Farida Bourquia), aber in über zwanzig Filmen hat Génini einen einheitlichen Stil entwickelt und wiederkehrende Themen behandelt, darunter das kulturelle Erbe, ethnische Vielfalt und Musik. Darüber hinaus hat sie einen wesentlichen Beitrag zum weltweiten Vertrieb von marokkanischen Dokumentarfilmen geleistet.
 
Manche dieser Pionierinnen begannen erst spät mit ihrer filmischen Arbeit, wie etwa Hala Alabdalla, die 2006 erstmals Regie führte, nachdem sie vorher als Produzentin und Koregisseurin tätig war. Andere, wie etwa Assia Djebar, waren in ihrem Land bis in die 2000er die einzigen Frauen, die Dokumentarfilme drehten. In Algerien etwa ist das Filmemachen immer noch ein komplexes und gefährliches Unterfangen, weswegen mitunter im Exil oder grenzüberschreitend gearbeitet wird.
 
Auch in Palästina gibt es nicht viele ortsansässige Filmemacherinnen, da es äußerst schwierig ist, die Mittel zu finden, um innerhalb der besetzten Gebiete Filme zu machen, und viele Palästinenser*innen im Exil leben. Mai Masri, eine im Libanon lebende Palästinenserin, war die erste Frau, die ihre Landsleute in Flüchtlingslagern porträtierte und damit eine Richtung skizzierte, der andere Filmemacherinnen innerhalb und außerhalb Palästinas folgten. Ateyyat El Abnoudy wird auch als "Mutter des ägyptischen Dokumentarfilms" bezeichnet, denn in Ägypten waren Anfang der 1970er vor allem Filme aus dem "Goldenen Zeitalter" der 1940er und 1950er beliebt. Jocelyne Saab arbeitete zunächst als Journalistin, als das libanesische Kino parallel zum ägyptischen Kino (in dem viele libanesische Stars aktiv waren) ein schnelles Wachstum verzeichnete. Als der lang andauernde libanesische Bürgerkrieg begann, wandte sie sich dem Dokumentarfilm zu.
 
Permissible Dreams zeigt, wie die Filmemacherinnen ihre dissidenten Filmpraktiken und Ideale, ihren kulturellen und politischen Widerstand an Orten entwickelten, an denen Zensur, konservative Moralvorstellungen und fehlende Investitionen die Produktion und den Vertrieb von Dokumentarfilmen erschweren. Sie alle verbindet eine pragmatische Haltung in ihren jeweiligen Lebens- und Arbeitskontexten sowie eine daraus resultierende künstlerische und subversive Kraft. (Stefanie Van de Peer, Kuratorin)

Stefanie Van de Peer ist Dozentin für Film und Medien an der Queen Margaret University in Edinburgh, Schottland. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Stellung der Frau im arabischen und afrikanischen Kino, als Filmhistorikerin hat sie ein besonderes Interesse an feministischen Filmarchiven. Zu ihren Veröffentlichungen gehören Negotiating Dissidence: The Pioneering Women of Arab Documentary (EUP, 2017) und Women in African Cinema: Beyond the Body Politic (Routledge, 2021). Derzeit leitet sie ein von der Royal Society of Edinburgh finanziertes Projekt zum globalen Filmerbe von Filmemacherinnen, in dem die teilnehmenden Forscher*innen transnationale Netzwerke der Zusammenarbeit von feministischen Filmemacherinnen untersuchen. Seit 2007 ist sie Kuratorin und Programmgestalterin des Filmfestivals Africa in Motion in Schottland und des REEL-Filmfestivals, als Kuratorin und Jurymitglied ist sie regelmäßig für internationale Filmfestivals tätig.
 

In Anwesenheit von Heiny Srour am 13. April 2023
Zusätzliche Materialien

Aïta

(1988, 28 min)

Children of Shatila

(1998, 50 min)

Children without Childhood

(1979/80, 23 min)

Fatma 75

(1975, 60 min)
Innerhalb der Schau sind die Filme in der Reihenfolge ihrer Programmierung angeordnet.
Filmdauer: 60 min
Do, 23.03.2023 20:30
Freier Eintritt für Fördernde Mitglieder
Fr, 21.04.2023 18:00
Filmdauer: 70 min
Mo, 10.04.2023 20:30
Do, 27.04.2023 18:00
Filmdauer: 85 min
Mi, 12.04.2023 18:00
Mi, 26.04.2023 20:30
Filmdauer: 62 min
Do, 13.04.2023 18:00
In Anwesenheit von Heiny Srour
Sa, 29.04.2023 20:30