Filmdokumente zur Zeitgeschichte:

Mikrogeschichten vom "Anschluss"

16. März 2008
 
Die Reihe Filmdokumente zur Zeitgeschichte fokussiert im Jahr 2008 einmal monatlich auf rare Archivmaterialien zur Geschichte des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam mit Gästen aus verschiedensten Disziplinen werden filmische Überlieferungen von zentralen Ereignissen und Entwicklungen im historischen, produktionsgeschichtlichen und filmästhetischen Kontext analysiert. Im Zentrum des Programms steht das Spannungsverhältnis von Film und Geschichte – Film als Zeugnis historischer vergangener Begebenheiten und zugleich als ästhetische Stellungnahme zur Welt.
 
Das filmische Bild von "Anschluss" 1938 ist maßgeblich von jenen ikonischen Aufnahmen bestimmt, die von der NS-Filmpropaganda hergestellt wurden. Bildästhetik und Dramaturgie, die den NS-Wochenschauen zugrunde lagen, bilden bis heute das visuelle Inventar, mit dem das Ereignis in TV-Dokumentationen, Lehrmitteln, Museen und Kinofilmen illustriert wird. Die Veranstaltung will in der Gegenüberstellung des propagandistischen Bildes mit Amateurmaterial, Kulturfilmen und Fragmenten österreichischer Wochenschauen Formen der historischen wie auch der retrospektiven Ästhetisierung und Narrativisierung des "März 1938" debattieren.
 
Diese "Mikrogeschichten" – Filmberichte von Aktivitäten der Wiener Nationalsozialisten vor 1938, Schnappschüsse vom "Alltag im Anschluss", Reportagen der Wiener Polizei, filmische ­Tourismusprospekte des "Traumlands Ostmark" – brechen die spektakuläre Monumentalisierung des "Anschlusses", das be­harrende "modernistische Ereignis" im Sinne Hayden Whites auf, zeugen aber gleichzeitig von der alltäglichen Verstrickung der Österreicher in das NS-System. In der Veranstaltung werden auch nicht-filmische Quellen aus dem Frühjahr 1938 sowie Beispiele für nachträgliche Bearbeitungen des Ereignisses etwa im Avantgardefilm zitiert. (Michael Loebenstein, Siegfried Mattl)
 
Eine Veranstaltung des Filmmuseums und des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte und Gesellschaft, in Kooperation mit der Universität Wien. Auf Einladung des Austrian Cultural Forum stellt das Filmmuseum von 10. bis 14. März eine erweiterte Version des Programms in New York vor.

Innerhalb der Schau sind die Filme in der Reihenfolge ihrer Programmierung angeordnet.