John Huston | William Wyler im Dialog mit Frank Capra, John Ford und George Stevens
2. März bis 5. April 2018
Im Zentrum unseres März-Programms stehen zwei stilprägende Autoren des klassischen Hollywood: John Huston (1906–1987) und William Wyler (1902–1981), deren Filme wir im Dialog mit Werken dreier Zeitgenossen präsentieren: Frank Capra, John Ford und George Stevens. Alle fünf Regisseure waren tief geprägt durch die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und ihre filmischen Beiträge zur US-Kriegsführung.
John Huston zählt als Filmautor wie Darsteller zu den markantesten Figuren des internationalen Kinos. Seine Filme sorgten abwechselnd für Begeisterung und Ablehnung – seine überlebensgroße Präsenz garantierte jedoch anhaltende Popularität, untermauert von der "zweiten Karriere" als Schauspieler mit einprägsamen Auftritten wie in Chinatown (1974).
Der Sohn von Schauspieler Walter Huston reüssierte in den 1930ern als gefragter Drehbuchautor, bevor er zur Regie wechselte: Als superber Schauspielerregisseur machte er mit The Maltese Falcon (1941) Humphrey Bogart zum Noir-Star und verhalf Vater Walter mit dem ikonischen Abenteuerfilm The Treasure of the Sierra Madre (1948) zum Oscar. Als brillanter Erzähler schuf er mit The Asphalt Jungle (1950) ein weiteres Hauptwerk der Schwarzen Serie, doch er blieb unberechenbar. So wie er das Image des Abenteurers, Großwildjägers – u.a. in The African Queen (1951) – und Frauenhelden kultivierte, so gefiel er sich in der Rolle des stilsicheren maverick, der nach Lust und Laune die Genres wechselte.
Ungeachtet dieser scheinbaren Beliebigkeit und der abgebrühten Selbstinszenierung zieht sich konsequent ein melancholisches, zwiespältiges Weltbild durch Hustons Arbeit. Gerade im Spätwerk – von der Mittelalter-Ballade (und 68er-Allegorie) A Walk With Love and Death (1969) über den großen Boxerfilm Fat City (1972) zu Literaturverfilmungen wie dem Herzensprojekt The Man Who Would Be King (1975) nach Rudyard Kipling, Under the Volcano (1984) nach Malcolm Lowry und dem bewegenden Abschiedswerk The Dead (1987) nach James Joyce – manifestierten sich Hustons Lebensthemen am deutlichsten. Seine Figuren sind traumatisiert, von Dämonen wie der Alkoholsucht geplagt und zum Scheitern verurteilt. Ihre Integrität und Würde demonstrieren sie über Mut und letztlich Selbstaufgabe angesichts einer indifferenten, gottlosen Welt.
1984 zeigte das Filmmuseum eine Huston-Gesamtschau, nun präsentieren wir eine erste Werkauswahl im Dialog mit Filmen von Kollegen und Konkurrenten – insbesondere dem gebürtigen Elsässer William Wyler, der Huston mit großen Würfen wie A House Divided (1931) oder Jezebel (1938) als Drehbuchautor lancierte und ihm lebenslang Seelenbruder blieb: "Willy was certainly my best friend in the industry." Unbestritten ist Wylers Rolle als führender US-Regisseur seiner Generation. Quer durch die Genres – von dramatischen Registern zur romantischen Komödie Roman Holiday (1953) – demonstrierte Wyler bei allen Unterschieden in Gestus und Ton seiner Filme ähnlich tiefes, humanistisches Einfühlungsvermögen wie Huston. Auch sein Œuvre, als "akademisch" geschmäht, verlor an Auteur-Prestige, da er ostentativ Thema und Darstellerarbeit über den Stil stellte, wiewohl seine Arbeiten mit Kameramann Gregg Toland die revolutionäre Tiefenschärfe- Gestaltung von Citizen Kane (1941) vorwegnahmen.
Wylers Meisterwerk The Best Years of Our Lives (1946) ist zudem emblematisch für die Verarbeitung der gemeinsamen Weltkriegserfahrung. Wie Huston, Stevens, Capra und Ford schloss sich Wyler einer Filmabteilung der U.S. Armed Forces an: Für diese "Big Five" wurde es zu einem Galvanisationspunkt ihrer Karrieren. Die Kriegsdokumente von Wyler, Ford und Huston, der die Schlacht von San Pietro (1945) teils re-inszenierte, wurden zu Höhepunkten des Kinos. Alle fünf kehrten aus dem Krieg zurück ins Studiosystem und in eine Welt, deren ethische, ästhetische und soziale Normen zutiefst erschüttert waren.
Die Retrospektive macht den Einschnitt sichtbar, am allerdeutlichsten beim unterschätzten "Handwerker" George Stevens: Der an Laurel & Hardy geschulte Kameramann wurde vor dem Krieg Regiespezialist für Komödien und Musicals, nachdem er die US-Truppen vom D-Day bis zum Kriegsende begleitete, drehte er nur noch ernste Stoffe wie A Place in the Sun (1951). Im epochalen Western Shane (1953) arbeitete er sich allegorisch, mit The Diary of Anne Frank (1959) auf direkte Weise am Wendepunkt seines Lebens und seiner Laufbahn ab: der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau und der Enthüllung des Holocaust.
Bei Frank Capra, als einziger nicht an der Front, aber als "Dirigent" der US-Filmpropaganda stilbildend, zeigen seine gefeierten Werke der Jahre 1939–48 eine Desillusionierung, mit It's a Wonderful Life (1946) als Kulminationspunkt: Dass Capra seine populäre American Dream-Kinowelt ins Schattenlicht tauchte, sorgte für einen Flop, der die mit Wyler und Stevens gegründete unabhängige Produktionsfirma Liberty ruinierte.
Als unmittelbare Reaktion waren Capras Heimkehrer-Film wie Wylers The Best Years of Our Lives bei allem Schmerz nicht hoffnungslos, während Ford in They Were Expendable (1945) den Frontkampf resignativ bilanzierte. Er sah den Zweiten Weltkrieg auch als Rehabilitationschance, weil er am Ersten nicht teilgenommen hatte. Fords Hauptwerke Pilgrimage (1933) und The Long Gray Line (1955) sind wie Zwischen- und Endbilanz: Trotz lebensgefährlichen Einsatzes sei er "wirklich ein Feigling" geblieben, so Ford – darin wie Hustons Figuren, die am schmalen Grat zwischen Mut und Feigheit wandern, ohne Erlösung zu finden.
Im Zentrum unseres März-Programms stehen zwei stilprägende Autoren des klassischen Hollywood: John Huston (1906–1987) und William Wyler (1902–1981), deren Filme wir im Dialog mit Werken dreier Zeitgenossen präsentieren: Frank Capra, John Ford und George Stevens. Alle fünf Regisseure waren tief geprägt durch die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und ihre filmischen Beiträge zur US-Kriegsführung.
John Huston zählt als Filmautor wie Darsteller zu den markantesten Figuren des internationalen Kinos. Seine Filme sorgten abwechselnd für Begeisterung und Ablehnung – seine überlebensgroße Präsenz garantierte jedoch anhaltende Popularität, untermauert von der "zweiten Karriere" als Schauspieler mit einprägsamen Auftritten wie in Chinatown (1974).
Der Sohn von Schauspieler Walter Huston reüssierte in den 1930ern als gefragter Drehbuchautor, bevor er zur Regie wechselte: Als superber Schauspielerregisseur machte er mit The Maltese Falcon (1941) Humphrey Bogart zum Noir-Star und verhalf Vater Walter mit dem ikonischen Abenteuerfilm The Treasure of the Sierra Madre (1948) zum Oscar. Als brillanter Erzähler schuf er mit The Asphalt Jungle (1950) ein weiteres Hauptwerk der Schwarzen Serie, doch er blieb unberechenbar. So wie er das Image des Abenteurers, Großwildjägers – u.a. in The African Queen (1951) – und Frauenhelden kultivierte, so gefiel er sich in der Rolle des stilsicheren maverick, der nach Lust und Laune die Genres wechselte.
Ungeachtet dieser scheinbaren Beliebigkeit und der abgebrühten Selbstinszenierung zieht sich konsequent ein melancholisches, zwiespältiges Weltbild durch Hustons Arbeit. Gerade im Spätwerk – von der Mittelalter-Ballade (und 68er-Allegorie) A Walk With Love and Death (1969) über den großen Boxerfilm Fat City (1972) zu Literaturverfilmungen wie dem Herzensprojekt The Man Who Would Be King (1975) nach Rudyard Kipling, Under the Volcano (1984) nach Malcolm Lowry und dem bewegenden Abschiedswerk The Dead (1987) nach James Joyce – manifestierten sich Hustons Lebensthemen am deutlichsten. Seine Figuren sind traumatisiert, von Dämonen wie der Alkoholsucht geplagt und zum Scheitern verurteilt. Ihre Integrität und Würde demonstrieren sie über Mut und letztlich Selbstaufgabe angesichts einer indifferenten, gottlosen Welt.
1984 zeigte das Filmmuseum eine Huston-Gesamtschau, nun präsentieren wir eine erste Werkauswahl im Dialog mit Filmen von Kollegen und Konkurrenten – insbesondere dem gebürtigen Elsässer William Wyler, der Huston mit großen Würfen wie A House Divided (1931) oder Jezebel (1938) als Drehbuchautor lancierte und ihm lebenslang Seelenbruder blieb: "Willy was certainly my best friend in the industry." Unbestritten ist Wylers Rolle als führender US-Regisseur seiner Generation. Quer durch die Genres – von dramatischen Registern zur romantischen Komödie Roman Holiday (1953) – demonstrierte Wyler bei allen Unterschieden in Gestus und Ton seiner Filme ähnlich tiefes, humanistisches Einfühlungsvermögen wie Huston. Auch sein Œuvre, als "akademisch" geschmäht, verlor an Auteur-Prestige, da er ostentativ Thema und Darstellerarbeit über den Stil stellte, wiewohl seine Arbeiten mit Kameramann Gregg Toland die revolutionäre Tiefenschärfe- Gestaltung von Citizen Kane (1941) vorwegnahmen.
Wylers Meisterwerk The Best Years of Our Lives (1946) ist zudem emblematisch für die Verarbeitung der gemeinsamen Weltkriegserfahrung. Wie Huston, Stevens, Capra und Ford schloss sich Wyler einer Filmabteilung der U.S. Armed Forces an: Für diese "Big Five" wurde es zu einem Galvanisationspunkt ihrer Karrieren. Die Kriegsdokumente von Wyler, Ford und Huston, der die Schlacht von San Pietro (1945) teils re-inszenierte, wurden zu Höhepunkten des Kinos. Alle fünf kehrten aus dem Krieg zurück ins Studiosystem und in eine Welt, deren ethische, ästhetische und soziale Normen zutiefst erschüttert waren.
Die Retrospektive macht den Einschnitt sichtbar, am allerdeutlichsten beim unterschätzten "Handwerker" George Stevens: Der an Laurel & Hardy geschulte Kameramann wurde vor dem Krieg Regiespezialist für Komödien und Musicals, nachdem er die US-Truppen vom D-Day bis zum Kriegsende begleitete, drehte er nur noch ernste Stoffe wie A Place in the Sun (1951). Im epochalen Western Shane (1953) arbeitete er sich allegorisch, mit The Diary of Anne Frank (1959) auf direkte Weise am Wendepunkt seines Lebens und seiner Laufbahn ab: der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau und der Enthüllung des Holocaust.
Bei Frank Capra, als einziger nicht an der Front, aber als "Dirigent" der US-Filmpropaganda stilbildend, zeigen seine gefeierten Werke der Jahre 1939–48 eine Desillusionierung, mit It's a Wonderful Life (1946) als Kulminationspunkt: Dass Capra seine populäre American Dream-Kinowelt ins Schattenlicht tauchte, sorgte für einen Flop, der die mit Wyler und Stevens gegründete unabhängige Produktionsfirma Liberty ruinierte.
Als unmittelbare Reaktion waren Capras Heimkehrer-Film wie Wylers The Best Years of Our Lives bei allem Schmerz nicht hoffnungslos, während Ford in They Were Expendable (1945) den Frontkampf resignativ bilanzierte. Er sah den Zweiten Weltkrieg auch als Rehabilitationschance, weil er am Ersten nicht teilgenommen hatte. Fords Hauptwerke Pilgrimage (1933) und The Long Gray Line (1955) sind wie Zwischen- und Endbilanz: Trotz lebensgefährlichen Einsatzes sei er "wirklich ein Feigling" geblieben, so Ford – darin wie Hustons Figuren, die am schmalen Grat zwischen Mut und Feigheit wandern, ohne Erlösung zu finden.