Alf Sjöberg
24. Februar bis 6. März 2017
Das letzte Mal, da man den Namen Alf Sjöberg des Öfteren zu lesen bekam, war 2012, anlässlich der Goldenen Palme für Michael Hanekes Amour. Damals fand sich in vielen Zeitungen die Auflistung jener Filmemacher, die den begehrtesten aller Festivalpreise vor ihm schon zweimal gewonnen hatten; und der erste in dieser illustren Riege war eben: Sjöberg – 1946 mit Iris und der Leutnant (ein heute aufgrund von Rechtsstreitigkeiten unzugänglicher Film) und 1951 mit Fräulein Julie. Was nicht weiter überrascht: Auch wenn Alf Sjöberg heute weitgehend vergessen ist, filmhistorisch verdrängt von seinem Meisterschüler Ingmar Bergman, so war er zur Mitte des letzten Jahrhunderts einer der bedeutendsten Filmschaffenden der Welt.
Bei genauerer Betrachtung ist er das immer noch: Die Flamboyanz, das bis ins kleinste Lichtdetail Ausgestaltete seiner Bildsprache, generell das Massive, Exakte seiner Werke, haben etwas zutiefst Ehrfurchtgebietendes. Es ist allerdings eine Art Schönheit, die man in den letzten Dekaden zu lieben verlernt hat: die eines komplett gebauten Kinos, in dem jedes Bild und jede einzelne Geste, jeder Lichtstrahl und jedes Ausstattungsstück mit viel Bedacht gesetzt wurden, wie Fräulein Julie oder Karin Månsdotter (1954) aufs Erregendste demonstrieren. Ein Kino zudem, das in seinen Allegorien immer wieder zum Christentum, zu dessen Motiv- und Bilderschatz findet – allen voran Himmelsspiel (1942) und die monumentale Pär-Lagerkvist-Adaption Barabbas (1953). Ein Kino schließlich, das – etwa in Raserei (1944) – ob seines kämpferischen Humanismus, seiner politischen Alertheit an Namen wie Kurosawa, Pudovkin oder Laurence Olivier erinnert.
In all dem, wie auch der Versiertheit und Virtuosität seiner Arbeit mit den Schauspielern, merkt man Sjöbergs Filmschaffen durchaus an, dass es im Theater verwurzelt ist. Das Dramaten, das Königliche Dramatische Theater in Stockholm, war Sjöbergs Schule und sein künstlerisches Heim: Dort wurde er 1923–25 zum Schauspieler ausgebildet, dort führte er viele Jahre lang Regie; einige seiner Inszenierungen für das Haus fanden via Radio und später durch das Fernsehen ihren Weg bis in die hintersten Ecken des Landes.
Eine seltsam sekundäre Rolle in seiner Wahrnehmung spielt ausgerechnet jener Aspekt seines Schaffens, der sich einem heutigen Publikum am unmittelbarsten vermittelt: Sjöberg, das Film noir-Genie. Abreise (1945) erscheint wie eine melancholische Variation über James M. Cains The Postman Always Rings Twice (1934); Wilde Vögel (1955) erzählt schicksalsschwer von einer Amour fou. Doch ist bei genauerem Hinsehen nicht auch die Faschismus-Allegorie Raserei ein ultraneurotisches Noir-Stück? Und berichtet nicht die Mitläufer-Parabel Barabbas von den Seelenqualen eines Gehetzten, dessen Zeit verrinnt?
Vielleicht ist es mit Sjöberg ja so wie mit manch anderen filmhistorisch Verdrängten: Man muss nur die richtigen Fragen an die Filme stellen, das Œuvre vielleicht aus einer bis dato minderbeachteten Perspektive betrachten – und mit einem Mal sind sie die aktuellsten, modernsten aller Kinokünstler.
Das Filmmuseum zeigt im Rahmen dieser ersten Sjöberg-Schau in Österreich eine Werkauswahl, die knapp die Hälfte seines Kinoschaffens repräsentiert: acht Filme aus den Jahren 1942 bis 1955. Mit Dank an das Swedish Film Institute.
Das letzte Mal, da man den Namen Alf Sjöberg des Öfteren zu lesen bekam, war 2012, anlässlich der Goldenen Palme für Michael Hanekes Amour. Damals fand sich in vielen Zeitungen die Auflistung jener Filmemacher, die den begehrtesten aller Festivalpreise vor ihm schon zweimal gewonnen hatten; und der erste in dieser illustren Riege war eben: Sjöberg – 1946 mit Iris und der Leutnant (ein heute aufgrund von Rechtsstreitigkeiten unzugänglicher Film) und 1951 mit Fräulein Julie. Was nicht weiter überrascht: Auch wenn Alf Sjöberg heute weitgehend vergessen ist, filmhistorisch verdrängt von seinem Meisterschüler Ingmar Bergman, so war er zur Mitte des letzten Jahrhunderts einer der bedeutendsten Filmschaffenden der Welt.
Bei genauerer Betrachtung ist er das immer noch: Die Flamboyanz, das bis ins kleinste Lichtdetail Ausgestaltete seiner Bildsprache, generell das Massive, Exakte seiner Werke, haben etwas zutiefst Ehrfurchtgebietendes. Es ist allerdings eine Art Schönheit, die man in den letzten Dekaden zu lieben verlernt hat: die eines komplett gebauten Kinos, in dem jedes Bild und jede einzelne Geste, jeder Lichtstrahl und jedes Ausstattungsstück mit viel Bedacht gesetzt wurden, wie Fräulein Julie oder Karin Månsdotter (1954) aufs Erregendste demonstrieren. Ein Kino zudem, das in seinen Allegorien immer wieder zum Christentum, zu dessen Motiv- und Bilderschatz findet – allen voran Himmelsspiel (1942) und die monumentale Pär-Lagerkvist-Adaption Barabbas (1953). Ein Kino schließlich, das – etwa in Raserei (1944) – ob seines kämpferischen Humanismus, seiner politischen Alertheit an Namen wie Kurosawa, Pudovkin oder Laurence Olivier erinnert.
In all dem, wie auch der Versiertheit und Virtuosität seiner Arbeit mit den Schauspielern, merkt man Sjöbergs Filmschaffen durchaus an, dass es im Theater verwurzelt ist. Das Dramaten, das Königliche Dramatische Theater in Stockholm, war Sjöbergs Schule und sein künstlerisches Heim: Dort wurde er 1923–25 zum Schauspieler ausgebildet, dort führte er viele Jahre lang Regie; einige seiner Inszenierungen für das Haus fanden via Radio und später durch das Fernsehen ihren Weg bis in die hintersten Ecken des Landes.
Eine seltsam sekundäre Rolle in seiner Wahrnehmung spielt ausgerechnet jener Aspekt seines Schaffens, der sich einem heutigen Publikum am unmittelbarsten vermittelt: Sjöberg, das Film noir-Genie. Abreise (1945) erscheint wie eine melancholische Variation über James M. Cains The Postman Always Rings Twice (1934); Wilde Vögel (1955) erzählt schicksalsschwer von einer Amour fou. Doch ist bei genauerem Hinsehen nicht auch die Faschismus-Allegorie Raserei ein ultraneurotisches Noir-Stück? Und berichtet nicht die Mitläufer-Parabel Barabbas von den Seelenqualen eines Gehetzten, dessen Zeit verrinnt?
Vielleicht ist es mit Sjöberg ja so wie mit manch anderen filmhistorisch Verdrängten: Man muss nur die richtigen Fragen an die Filme stellen, das Œuvre vielleicht aus einer bis dato minderbeachteten Perspektive betrachten – und mit einem Mal sind sie die aktuellsten, modernsten aller Kinokünstler.
Das Filmmuseum zeigt im Rahmen dieser ersten Sjöberg-Schau in Österreich eine Werkauswahl, die knapp die Hälfte seines Kinoschaffens repräsentiert: acht Filme aus den Jahren 1942 bis 1955. Mit Dank an das Swedish Film Institute.
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