Erich von Stroheim während der Produktion von "The Wedding March", 1926
Erich von Stroheim
Die Richard Koszarski – Erich von Stroheim Collection
Das Filmmuseum beherbergt nun eine bedeutende Sammlung über den legendären österreichisch-amerikanischen Regisseur, Schauspieler und Autor Erich von Stroheim (1885–1957).
 
Geboren in Wien-Neubau als Erich Oswald Stroheim erfand sich "Von" (wie er in Hollywood oft genannt wurde) mit seiner Ankunft in Ellis Island, New York neu. Aus dem jüdischen Handwerkersohn wird ein adeliger Kavallerieoffizier: Hollywoods oberster Alte-Welt-Bösewicht, "the man you love to hate", und zugleich einer der größten Regisseure der Stummfilmzeit, dessen Inszenierungsstil Filmemacher wie Sergei Eisenstein, Jean Renoir oder Alfred Hitchcock beeinflusste. Stroheims Stil zeichnet sich durch Präzision und äußerste Verdichtung auf das Wesentliche aus: statt über wortreiche Zwischentitel entfaltet sich das Drama bei ihm über Blicke, Close-ups und eine nachgerade dialektische Montage. Notorisch waren Stroheims Fehden mit dem Hollywood-Studiosystem, dem oft der Endschnitt seiner Regiearbeiten zum Opfer fiel.
 
Immer wieder kreist Stroheims Werk um seine Heimatstadt Wien, etwa in Merry-Go-Round (1923) oder The Wedding March (192628) darin Erinnerungen an eine Stadt, eine Zeit, die er geliebt und gehasst hat wie kaum ein anderer.
Mit Erich von Stroheim ist unser Haus seit Langem verbunden: Seine Filme werden seit 1966 regelmäßig im Filmmuseum gezeigt (zuletzt 2022 im Rahmen unserer Reihe "Collection on Screen"), studiert und in Form von Buch- und DVD-Editionen präsentiert (Erich von Stroheim von Jon Barna, 1966; Blind Husbands, Edition-Filmmuseum-DVD #3, 2006). 2021 konnte unser Team der Filmsammlung ein großes internationales Restaurierungsprojekt zum Abschluss bringen und damit die älteste und vollständigste Fassung von Blind Husbands in einer Rekonstruktion präsentieren, die der Originalfassung von 1919, wie sie im continuity script dargestellt ist, entspricht.
Nach jahrelangen Vorgesprächen zwischen Direktor Michael Loebenstein und dem amerikanischen Filmhistoriker Richard Koszarski konnte das Filmmuseum im Frühjahr 2022 dessen bedeutende Sammlung über Erich von Stroheim erwerben.
Diese Kollektion ist filmhistorisch von besonderem Wert und Interesse für unsere Institution, für die Stadt Wien, in der Stroheim geboren wurde, und für alle Forscher*innen, die sich für den Stummfilm allgemein und diesen bedeutenden Filmemacher im Besonderen interessieren. Für die Stroheim-Forschung ergänzt sie die großen Teilnachlässe, die in Los Angeles (Margaret Herrick Library) und Paris (Cinémathèque française) überliefert sind.
Zeitgenössisches Inserat der Universal für "Foolish Wives", 1922
Richard Koszarski beschäftigte sich seit den späten 1960er Jahren mit dem österreichisch-amerikanischen Regisseur, Schauspieler und (Drehbuch-)Autor. Er begann mit der Zusammenstellung einer vollständigen Bibliografie von und über Stroheim und führte in den 1970er Jahren eine Reihe von Interviews mit Persönlichkeiten, die Stroheim gekannt oder mit ihm gearbeitet hatten, darunter Kameramänner, Schauspieler*innen und Drehbuchautor*innen wie James Wong Howe, Grant Wytock, Fay Wray, Hal Mohr, Ray Rennahan, William Margulies, Lewis Milestone, J.J. Cohn, Anita Loos und Paul Ivano.
Der krönende Abschluss seiner Forschungen war die Veröffentlichung des Buches The Man You Loved to Hate im Jahr 1983. Im Jahr 2001 erschien, noch umfangreicher, The Life & Films of Erich von Stroheim.
Richard Koszarskis Interesse und Forschungs-bestrebungen gingen jedoch weit über diese Publikationen hinaus: "Ich schwor mir, alles über diesen Mann zu erfahren, was ich konnte, und herauszufinden wie seine persönliche Vision in eine noch größere Legende einfloss: den Aufstieg Hollywoods und der internationalen Filmindustrie." Bis ins Jahr 2021 hat er seine Kollektion erweitert und bereichert; diese Sammlung ist (s)ein Lebenswerk.
Richard Koszarski über seine Beweggründe die Sammlung dem Filmmuseum zu überlassen: "Erich von Stroheim mag Wien 1908 verlassen haben, aber Wien hat ihn nie verlassen. Mehr eine Geisteshaltung als ein konkreter geografischer Ort, hat der ambivalente Charme der Stadt seine Fantasie gepackt und nicht mehr losgelassen. ... Als es an der Zeit war, ein neues Zuhause für die Kisten mit dem gesammelten Material zu finden, wusste ich, dass vieles zu Erich von Stroheim bereits an den Orten zu finden war, an denen er den Großteil seiner Arbeit geleistet hatte: in Hollywood und in Paris. Aber es war Wien, über das er immer wieder schrieb, und Wien, das sich wie ein roter Faden durch dieses Material zieht. So packte ich alles zusammen und schickte es nach Wien."
Die Sammlung beinhaltet eine breite Palette an Materialien: Drehbücher, Verträge, juristische Auseinandersetzungen, Memos, Bücher von und über Stroheim, über 600 Fotos, Plakate, Zeitungsausschnitte, Tonbandaufnahmen und etliche andere nicht-filmische Dokumente, die wesentlich sind, um die Persönlichkeit Stroheims von den Anfängen als Schauspieler in Hollywood, über seine filmischen Meisterwerke der 1920er Jahre bis zur späteren Film- und Theaterkarriere in Amerika und Europa auszuleuchten.
Die "Richard Koszarski – Erich von Stroheim Collection" wird von den Mitarbeiter*innen des Österreichischen Filmmuseums im Laufe der kommenden Jahre bearbeitet und erschlossen. Unser Ziel ist es, diese Ende 2024 als digital zugängliche Studiensammlung online der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Darüber hinaus planen wir, 2023 zur Erschließung der Sammlung und für den Ankauf weiterer (mittlerweile neu restaurierter) Filme Stroheims ein Patenschaftsprojekt ins Leben zu rufen. Details folgen. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte Alessandra Thiele, .
Kontakt
Paolo Caneppele, Filmbezogene Sammlung (Leitung)

+43 1 533 70 54 DW 211


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