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Die intensive Konfrontation mit Bennings Filmen kann dazu führen, dass man die Welt nie mehr so wahrnimmt wie zuvor. Schon früh verknüpft er die strukturelle Analyse von Bild, Ton und Erzählung mit autobiografischen Impulsen – und mit einem nahezu »klassischen« Interesse an Bildkomposition, Farbe, Licht und Landschaft. In dichten Materialcollagen macht Benning »unter« der gefilmten Welt eine spezifische mentale Landschaft sichtbar – einen amerikanischen Traum, der zum Alptraum geworden ist. Nach seinem Umzug nach Kalifornien verstärkt sich dieses Interesse für die natürliche Realität der USA und die Geschichte(n), die darin eingeschrieben sind. Werke wie Deseret (1995) und Four Corners (1997) etwa verfolgen die Spuren medialer, politischer und ökonomischer Machtverhält- nisse in den Landschaften des Westens. Mit der California Trilogy (El Valley Centro, Los, Sogobi) treibt er diese Überlegungen be- sonders weit: Die Aufmerksamkeit bleibt minutenlang auf ein Bild und den Originalton gerichtet, während die Phantasie des Betrachters gesellschaftliche Kontexte erschließt. Seine letzten analogen Filme – Benning arbeitet seit 2009 im digitalen Medium – waren das Ergebnis mehrjähriger Dreh- arbeiten: RR (2007) unternimmt eine filmische Vermessung des amerikanischen Kontinents anhand von Güterzügen und Schienensträngen; casting a glance (2007), uraufgeführt auf der documenta 12, erforscht ein zentrales Kunstwerk des 20. Jahrhunderts – die gigantische »Spiral Jetty«, die der Land- Art-Künstler Robert Smithson 1970 im Salzsee von Utah errich- tete. (ALEXANDER HORWATH) JAMES BENNING 11 14 (1976) Bennings erstes abendfüllendes Werk, eine Erweiterung des Kurzfilms 8 1/2 11, dessen Titel den Maßen eines Blattes Schreibmaschinenpapier entsprach: 11 14 sind die Abmessun- gen von Fotopapier. Was ist der Unterschied zwischen fotografi- schem und filmischem Sehen? Als geheimnisvolles, manchmal unerklärlich bewegendes Bild-Ton-Puzzle insinuieren die un- geschnittenen Szenen elliptische Handlung(en), werden aber schließlich »von der Form des Films verschluckt« (Benning). Der Anfang ist wie das Ende von 8 1/2 11: Ein Mann und eine Frau trennen sich in einer Totalen, als Schatten werden sie den Film begleiten, beginnend mit einem Blick durch ein Zugfenster – Auftakt zum Spiel mit Rahmen und Blicken, und zu einer Land- schaftsstudie des Mittleren Westens. Erst später, so Benning, hätte er erkannt, dass er mit diesem Dokument einer Kultur einen politischen Film geschaffen hatte. Einer der zentralen US-Independent-Filme der 1970er Jahre. (CHRISTOPH HUBER) Fünfzig Jahre Filmpatenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 16mm, Farbe, Ton, 80 min Filmpatenschaft: 4500 Euro