Abenteuer Alltag

Das Österreichische Filmmuseum bewahrt umfangreiche Bestände an Filmen, die von Privatpersonen zwischen den 1920er und den 2000er Jahren in Wien gedreht wurden und deren Leben und ihre Umgebung auf analogem Film festhalten. Diese Filmdokumente stellen eine einzigartige Quelle der Zeitgeschichte und Alltagskultur dar, wobei sie nur in Ansätzen wissenschaftlich, historisch und inhaltlich erschlossen sind. Filmamateur*innen blicken anders auf die Orte, in denen sie leben und sich bewegen, sie bieten neue Perspektiven auf historische Ereignisse und geben Einblicke in die Alltagskultur Wiens des 20. Jahrhunderts.

Wie verändert es die Arbeit mit Amateur*innenfilmen als "lebendem Dokument" der Alltagsgeschichte, wenn wir Technologien einsetzen, mittels derer Filme sekundengenau getagged, beschrieben, und mit Kontextmaterialien, wie Briefen, Fotografien, Oral-History-Interviews und Geodaten erschlossen werden? Welche ethischen Fragen wirft eine solche Arbeit mit Bilddokumenten auf, die nie für die Vorführung vor einer breiten Öffentlichkeit gedacht waren? Und wie verändert es unseren Umgang mit zeithistorischen Dokumenten, wenn nicht nur menschliche, sondern auch nichtmenschliche Akteure (KI) in die Filmanalyse eingebunden sind?

Um diese Fragen zu beantworten, erprobte das Österreichische Filmmuseum mit Partner*innen aus dem Technologiebereich den Einsatz innovativer Technologien, wie automatische Analyse, zeitbasierte Annotation, Geoannotation und State of the art Metadatenstandards für Amateur*innenfilme. Ziel des Projektes war es, weltweit führende Best-Practice-Richtlinien und technische Lösungen zu etablieren, die vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen Zugang zu privaten Filmdokumenten eröffnen.
 

Unser Anliegen war es mit unserem Projekt zu demonstrieren, wie digitale Technologien die Erschließung, das Kuratieren, die Darstellung und die Vermittlung dieser einzigartigen Filmdokumente innovieren können. Als erstes Museum weltweit stellte das Österreichische Filmmuseum digitalisierte Filmdokumente so bereit, dass sie in Relation zu Orten, Ereignissen der Zeitgeschichte, technischen und sozialen Entwicklungen, und den Lebensgeschichten der Filmamateur*innen erlebbar werden. Mittels hochauflösender Digitalisierung, automatischer Analyse durch KI, manuelle Annotation und attraktiver Webinterfaces können User*innen nun ohne ins Museumsdepot zu kommen Filme sichten, nach Orten, Personen, Motiven suchen und Querverbindungen entdecken.


Das Ergebnis

  • Abenteuer Alltag präsentiert ausgewählte Amateurfilme aus der Sammlung des Österreichischen Filmmuseums: Rund 200 Filme wurden zeitbasiert annotiert, automatisch analysiert und mit Geodaten erschlossen.
  • Eine vielstimmige Sammlung von 18 Filmgesprächen mit Akteur*innen und Filmemacher*innen beleuchtet historische Hintergründe, dokumentiert filmische Biografien und vermittelt Einblicke in gelebte Filmpraxis.
  • Ergänzt werden die Filme durch Sichtungsnotizen von Akteur*innen und Filmemacher*innen sowie Begleitmaterialien wie Schriftgut, Fotografien, Objekte und filmtechnische Geräte.
  • Die digitale Ausstellung "Rundgänge" stellt Filmemacher*innen, Filme und begleitende Materialien in den Fokus. Interviews, Hintergrundgeschichten und thematische Zusammenhänge eröffnen neue Perspektiven auf das Amateurfilmschaffen und die Stadtgeschichte Wiens.
  • Ein attraktives Frontend ermöglicht verschiedenen Zielgruppen den Zugang zu den Amateurfilmen über Wien und erlaubt komplexe Suchoperationen auf intuitive und benutzerfreundliche Weise.
  • Das Projekt nutzt ein Backend, das auf der Open-Source-Architektur des Projekts Visual History of the Holocaust aufbaut.

Projektwebsite

Durchführungszeitraum
Jänner 2023 bis Dezember 2024

Projektleitung

Österreichisches Filmmuseum: Michael Loebenstein, Stefanie Zingl
 

Projektteam
Österreichisches Filmmuseum: Florian Haag, Jona Haidenthaler, Anna Högner, Eszter Kondor, Lisa Leitenmüller, Claudio Santancini, Raoul Schmidt, Georg Wasner
Praktikant*innen: Michela Buttu, Sara Piñeros Cortés, Gerhard Schindler, Laura Wegscheider 
 

Projektpartner*innen

Max Recall, Computer Vision Lab (CVL) der Technischen Universität Wien, Ludwig Boltzmann Institute for Digital History, sisigrant – Agentur für Wissens- und Kulturvermittlung 
max.recall
Computer Vision Lab
Ludwig Boltzmann Institute for Digital History (LBIDH)
sisigrant – Agentur für Wissens- und Kulturvermittlung

Förderung

Gefördert durch die Wirtschaftsagentur Wien. Ein Fonds der Stadt Wien
 

Wirtschaftsagentur Wien
Ansprechpartner*innen
Michael Loebenstein


Stefanie Zingl
s.zingl@filmmuseum.at