In Erinnerung an Gustav Deutsch (1952–2019)

In tiefer Trauer geben das Filmmuseum und sixpackfilm, im Namen von Hanna Schimek, Gustav Deutschs Partnerin in Kunst und Leben, das plötzliche Ableben unseres geschätzten und geliebten Freundes Gustav Deutsch bekannt. [...]
 

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Gustav Deutsch 2018 (Foto: ÖFM © Eszter Kondor)
Über tönende Laufbildkonstruktionen. Zum Tod von Gustav Deutsch.
 
Die Welt hat eine der Hauptfiguren des internationalen Found-Footage-Films verloren: Gustav Deutsch. Er und Hanna Schimek, seine Verbündete und Gefährtin in Leben und Kunst, haben seit 40 Jahren die Film- und Kunstszene hier und andernorts mit bestechend schönen und aufrührenden Arbeiten grundiert. An die Filme von Bruce Conner, Stan Brakhage, Ken Jacobs oder Jonas Mekas anknüpfend, hat Gustav Deutsch mit seiner Trilogie Film ist. 16, Film ist. 712 und Film ist. a girl and a gun Filmgeschichte geschrieben. Egal ob Mexiko, Korea, Hongkong, Japan, die USA, Kanada, die Niederlande, Irland oder sonstwo: Seine Filme wurden und werden auf den renommiertesten Filmfestivals in aller Welt gezeigt, lösen Bewunderung aus, manchmal auch Bestürzung. Das riesige Oeuvre des Kosmopoliten Gustav Deutsch – man möge einen Blick auf seine Homepage und damit auf seine unterschiedlichsten Betätigungsfelder werfen – wurde vielfach in Buchveröffentlichungen, Kritiken, Rezensionen, Video- oder TV-Dokumentationen oder, wie jetzt, in zahlreichen Nachrufen gewürdigt: Deutsch als Filmemacher, Architekt, Soziologe, Zeichner, Fotograf, Theoretiker, Lehrender, Forschender, Stifter von Kunstinitiativen und Kunstprojekten, Farbkonzeptionist, Deutsch als Archäologe der vergangenen und gegenwärtigen Gegenwart – ein moderner Renaissance-Mensch. Doch viel zu selten ventiliert: Die Rolle der Musik! Sie war in seinem Schaffen, in seinem Leben, fundamental. In einem Interview mit dem Kunstexperten Christian Höller meinte er:  "Ich kann mir prinzipiell nicht vorstellen, ohne Musik zu schneiden. Es gibt keinen einzigen Abschnitt, wo ich das Bilde schneide und dann Musik dazu suche, sondern ich beginne immer mit Musik und Bild gemeinsam. Dabei probiere ich Verschiedenes aus und schaue, was am besten funktioniert. Manchmal folgt der Bildschnitt dabei auch der Musik." Und auf die Anmerkung und Frage: "An manchen Stellen ist es gleichwohl so, dass die Sound-Ebene eine ausgesprochen starke Präsenz entwickelt. Läuft man damit nicht Gefahr, die Bilder mit dem markanten elektronischen Sound zu übertönen bzw. in den Schatten zu rücken? Inwiefern wird so etwas in Kauf gekommen? Inwiefern wird es vielleicht sogar begrüßt?" antwortet der Filmemacher: "Meiner Ansicht nach beträgt der Anteil des Tons oder der Musik an der Wirkung eines Films mehr als zwei Drittel. Das heißt, der Ton ist für mich immer wichtiger als das Bild. Wenn der Ton die 'leading role' übernimmt, dann soll dem so sein – weil die Musik eben so stark ist und das Bild in den Hintergrund tritt. An anderen Stellen ist es wieder umgekehrt. Ingesamt sind beide gleichwertige Partner, und es gibt keinen Grund, warum der Ton die zweite Geige spielen soll." Leider konnte sein geplantes Opus Magnum  "Plato's Cave" nicht mehr realisiert werden. Wir Musikerinnen und Musiker, die wir über all die Jahre mit Gustav gearbeitet, eng mit ihm verbunden waren oder gerade dabei waren, an seinem Werk musikalisch teilzuhaben, sind erschüttert: Christian Fennesz, Martin Siewert, Werner Dafeldecker, Angélica Castelló, Lucia Pulido, Eva Reiter, Olga Neuwirth, David Sylvian, Katharina Klement, Isabelle Duthoit, Franz Hautzinger, Karl Ratzer, Jean Paul Dessy und ich. Wie hatte er mir als Widmung in sein wunderbares, von Wilbirg Brainin-Donnenberg / Michael Loebenstein herausgegebenes Buchporträt geschrieben? "In tiefer Verbundenheit und Dankbarkeit für die bisherige und zukünftige Zusammenarbeit an tönenden Laufbildkonstruktionen. Gustav." Wir sind untröstlich, dass es dazu nicht mehr kommen konnte, versuchen uns aber damit zu beruhigen, dass du, Gustav, ein universeller Geist unserer Kunst und unseres Lebens bist und immerwährend bleiben wirst.

Burkhard Stangl
 
H u G
Mit Gustavs Augen die Welt zu betrachten, gehörte zum Bewegendsten und Lehrreichsten im Leben. Was für ein Geschenk, dass er gemeinsam mit Hanna Schimek, unter vielem anderen, auch das Denken mit Film als Ausdrucksform gewählt hat! Diese Arbeiten bleiben, die Erinnerungen an Gustav zerreißen einem das Herz vor Glück und vor Schmerz. H u G, so haben die beiden ihre Nachrichten unterschrieben, waren eine Umarmung der Welt. Diese Umarmung nehmen wir auf, sie möge Hanna stärken und ihr die Gewissheit geben, dass ihrer beider Leben, ihre Arbeit reiche Früchte getragen hat.
 
Regina Schlagnitweit & Alexander Horwath
 

RIP Gustav Deutsch. Great filmmaker, friend of archives, and much more.
FILM IST. Full stop.

Dan Streible (New York University / Orphan Film Symposium)
 

 
Ich habe Deutsch sowohl künstlerisch wie menschlich extrem geschätzt und mich seinerzeit (noch in der Ära Horwath) doppelt gefreut, als mein "Kino-Gott" David Lean und Deutsch gemeinsam in einer Retrospektive gewürdigt worden waren. Deutschs Kunst ist völlig einzigartig, auch und gerade im Avantgardefilm – unmittelbar zugänglich und gleichzeitig von unangreifbarer Tiefe und Klarheit.
 
Hans Langsteiner
 
 
Die große Ehre und Freude war mir beschieden, Gustav Deutsch anno 2009 persönlich zu treffen und für meine Diplomarbeit zum Phänomen Amateurfilm mich mit ihm unterhalten zu dürfen. Welch große Persönlichkeit der österreichischen Filmavantgarde ich damals vor mir zum Kaffee sitzen hatte, wird mir heute erst in vollem Umfang bewusst. Uns beide verband (und wird immer verbinden) eine unermessliche, stets zu Taten drängende Leidenschaft für den weggeworfenen, den scheinbar wertlosen Film, eben den Film am Rand.
In großer Dankbarkeit nehme ich Abschied.
Mögest Du in Frieden ruhen, lieber Gustav Deutsch.
 
Bernhard Krisper