Die Rückseite des Films

Konsum in den 1960ern: Per Selbstbedienung zum "Menschen von heute"


Der farbenprächtige 35mm-Film aus den 1960er-Jahren bewirbt eine sogenannte "Revolution im Handel": die Selbstbedienung. Aufgenommen in Agfacolor und produziert von Zelnik-Film, zeugt der knapp eineinhalbminütige Film vom beschleunigten Bemühen um Wohlstand – in einem Land, das versucht, die "Nachkriegszeit" hinter sich zu lassen.
 

Als Vorreiterin der heute flächendeckend dominanten Supermarktketten nahm die sozialistisch ausgerichtete und seit 1856 tätige Konsumgenossenschaft ab den 1950er-Jahren erste Selbstbedienungsläden (Konsum Markt) in Linz, Graz und Wien in Betrieb. Die Organisation verstand sich selbst als verbraucherorientiert und strebte im demokratischen Sinne den Ausbau der Konsumfähigkeit an. Nach Testläufen in einigen kleinen Geschäften erweiterte die Genossenschaft Raum und Sortiment und eröffnete 1964 die erste Großfiliale mit 700 Quadratmetern in Wien-Meidling. Dieses Ereignis dokumentiert ein (anderer) Film aus der Sammlung des Filmmuseums, der gleich zu Beginn in die Gefahrenzone Konsum(-freiheit) eintaucht und Polizisten beim Bändigen der anstürmenden Kundschaft zeigt (siehe Abbildung unten).
 

In Konsum Selbstbedienung wiederum erhalten wir Einblick in die Werbestrategien der Genossenschaft, deren Ziel es war, der breiten Öffentlichkeit die neue Freiheit des Konsumierens zu vermitteln: sich selbst zu bedienen, ohne auf dem Weg zu diversen Greißlereien Zeit zu "verschwenden".
 

Zu Beginn wird mit einer animierten Sequenz auf pointierte Weise das ermüdende Dasein des "Steinzeitkonsumenten" ins Bild gesetzt. Die Stimme im Off erzählt vom "Sport des Jagens" und der "Mühe des Heimtransports". Mithilfe eines präzisen Schnitts werden wir vom Damals ins Heute befördert, wird das animierte Filmbild im Realfilm eingefroren. Diese verdichtete Grafik verschwindet langsam im Hintergrund der Protagonistin, einer "modernen Hausfrau", dem sogenannten "Menschen von Heute" – der Haupt-Zielgruppe des Films.
 

Zeitsparend wie das beworbene Konsumverhalten stellt der Film selbst sehr schnell Warenkontakt her und tastet die bunte Produktpalette des Konsum-Markts mit hastigen Kameraschwenks ab – im Dienste der Versuchung ebenso wie mit dem (illusorischen) Ziel einer Monopolisierung des Konsums durch die nach ihm benannten Supermärkte.

Lydia Nsiah, Filmmuseum
Erstmals veröffentlicht auf derStandard.at am 11.5.2015
 
Eröffnung eines Konsum-Supermarkts im Jahr 1964. Foto: Sammlung ÖFM

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